Probleme mit Anbietern: Berlin verschiebt Ausgabe von TI-Karten Tobias Lau, 28.05.2020 07:59 Uhr
Bis zum 30. September sollen die Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI) der Gematik angeschlossen sein – denn ohne TI kein E-Rezept. Mehrere Kammern haben deshalb in den zurückliegenden Wochen begonnen, die Beantragungsportale für den Heilberufsausweis und die Institutionenkarte (SMC-B) zu öffnen. Das läuft aber offenbar alles andere als rund. Mehrere Kammern berichten von massiven Problemen – in Berlin hat Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz deshalb die Reißleine gezogen. Sie glaubt nicht mehr daran, dass die bisherige Anschlussfrist noch zu halten ist.
Eigentlich sollte es am 4. Juni losgehen. Dann wollte die Apothekerkammer Berlin ihr Beantragungsportal für HBA und SMC-B ans Netz bringen, kündigte sie am Dienstag an. Nur einen Tag später ist aber klar: Daraus wird nichts. Denn am Mittwoch tagten die Kammervorstände in einer Videokonferenz und hatten wenig Erfreuliches mitzuteilen. „Die Kammern berichten von nicht zu Ende durchführbaren Prozessen, einer Vielzahl von Anfragen der Antragsteller bei den Kammern und den Kartenherstellern, von unberechtigten Schuldzuweisungen, daraus resultierender fehlender Planungssicherheit für die Anbindung durch die Softwarehäuser etc.“, so die Berliner Kammer.
Erschwert werde das noch „durch eine Gemengelage von Marketingaktivitäten verschiedener Akteure“ – also der Hardware-Anbieter. Dass gerade jeder sein TI-Paket in den Markt wirft, führe dazu, dass Apotheker ihre Bestellungen stornieren, „weil plötzlich ein besseres Angebot in der Post ist“.
Und damit noch nicht genug der Probleme: Keiner der in Berlin zugelassenen Kartenhersteller habe bisher die Voraussetzungen für die Anbindung beider Karten an die sogenannte SOAP-Schnittstelle geschaffen, über die die Daten von der Kammer an den Kartenhersteller übertragen werden, den der Antragssteller ausgewählt hat. „Wir haben Verträge mit drei Anbietern, aber nur einer hat schon die Zulassung zur Ausgabe der Karten“, erklärt Kemmritz auf Anfrage. „Bei dem klappt es aber mit der Datenübertragung nicht, weil eine bestimmte Zertifizierungsnummer noch nicht vorliegt.“ Das heißt: Zwischen Apotheken und Kammer gibt es keine Probleme, dafür funktioniert die Datenübertragung zwischen Kammer und den sogenannten qualifizierten Vertrauensdiensteanbietern (qVDA) nicht richtig.
Von diesem Problem sei ihr unter anderem aus dem Kammerbezirk Nordrhein berichtet worden. „Die Kammern, die das Portal schon nutzen, sagen uns: ‚Lasst die Finger davon!‘“, so Kemmritz. In Düsseldorf kann man das bestätigen: „Wir sind gerade dabei, die Probleme mit den qVDA zu lösen“, erklärt Geschäftsführer Dr. Stefan Derix. „Wir haben festgestellt, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben und das Problem bei den Schnittstellen der qVDA liegt.“
Wer genau die Schuld für die Probleme trägt, können weder Berlin noch Düsseldorf sagen. „An uns liegt es nicht“, so Kemmritz. Das Kammerportal laufe einwandfrei, es liege anscheinend an Zertifizierungsproblemen. „Es macht aber auch keinen Sinn, das Portal jetzt schon freizuschalten, wenn es noch nicht richtig funktioniert und die Apotheker nicht bei den Anbietern beantragen können, für die sie sich entschieden haben.“ Dann seien Ärger und Frust vorprogrammiert, ohne dass irgendetwas schneller gehen würde. Wann es so weit sein wird, weiß auch sie noch nicht – es werde aber in absehbarer Zeit sein.
Dabei wäre etwas Eile mittlerweile fast angebracht: Bis Ende September müssen alle Apotheken an die TI angeschlossen sein, wurde Ende vergangenen Jahres im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) festgeschrieben. Dazu braucht es aber nicht nur die Karten, sondern vor allem einen Konnektor, der physisch installiert werden muss. Zu den technischen Problemen kommen also noch die Unwägbarkeiten der Covid-19-Pandemie. „Wir erleben gerade, dass viele Techniker nicht für Vor-Ort-Termine zur Verfügung stehen“, sagt Kemmritz. „Ich glaube, dass fast keiner mehr davon ausgeht, dass der 30. September bundesweit haltbar ist. Bei der Kartenausgabe könnte das noch funktionieren, aber die IT-Dienstleister müssen ja noch über 19.000 Apotheken mit Konnektoren beglücken. Es würde mich sehr wundern, wenn das bis dahin klappt.“