Der Branchenverband Pro Generika hat vor Versorgungsengpässen bei lebenswichtigen Medikamenten durch einen steigenden Kostendruck gewarnt. Die jüngsten Lieferschwierigkeiten bei Antibiotika und Krebsmedikamenten seien ein „Weckruf“, sagte Geschäftsführer Bork Bretthauer. Er fügte hinzu: „Es darf keine Discounterpreise für lebenswichtige Generika geben.“
Bretthauer forderte einen Dialog der Politik mit Herstellern, Kliniken und Krankenkassen für mehr Versorgungssicherheit. Hintergrund sind Lieferengpässe bei dem Antibiotikum Piperacillin/Tazobactam (Pip/Taz), weil Produktionsstätten eines chinesischen Herstellers Ende vergangenen Jahres explodierten. Pip/Taz ist ein Breitband-Antibiotikum, das vor allem in Krankenhäusern bei schweren Infektionen wie Blutvergiftung eingesetzt wird. Es ist nach Expertenmeinung hoch wirksam und daher unentbehrlich.
Lieferengpässe seien ein weltweites Problem, sagte Bretthauer. Im Grunde gibt es nur noch zwei große Hersteller dieses Medikaments. Durch den generell hohen Kostendruck und zusätzliche Rabattverträge werde die Herstellung ins billigere Ausland verlagert. Engpässe gebe es auch bei Zytostatika zur Behandlung von Krebs. Diese Medikamente seien äußerst aufwendig in der Herstellung, nur kurzzeitig lagerbar. Daher verböten sich hier Rabattverträge ganz, argumentierte Bretthauer.
Er forderte die Krankenhäuser auf, eine Selbstverpflichtung für eine gute Einkaufspraxis einzugehen. Die Krankenhäuser, die in der Regel Einkaufsgemeinschaften bildeten und so die Preise drücken könnten, sollten nach Entscheidung für einen Hersteller, diesem vier bis sechs Monate Zeit einräumen, damit er Produktions- und Lagerbestände aufbauen könne. Zur Planungssicherheit sollten die Kliniken Angaben darüber machen, wie viel sie abnehmen wollten.
Ende vergangenen Jahres hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Fall von Pip/Taz den Notstand erklärt und damit den Weg frei gemacht für eine Ermächtigung zum Import von in Deutschland nicht zugelassener Ware. Bislang hat das BMG diese Möglichkeit erst dreimal genutzt: Als in Westafrika Ebola ausbrach und im Jahr 2014 erste Fälle auch in Deutschland gemeldet wurden, erteilte das BMG die Ermächtigung, „eine Vorbeugung oder Behandlung mit experimentellen Arzneimitteln zu ermöglichen“. Gemeint war damals die Nutzung des Serums von geheilten Patienten (Rekonvaleszentenserum) zur passiven Immunisierung akut Erkrankter. Dazu kam es jedoch nicht.
Im September 2015 wurde der Import von oral applizierbaren Arzneimitteln zur Therapie von Skabies erlaubt. Die Importe waren notwendig geworden, nachdem es in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft zu einem Ausbruch der durch Krätzmilben verursachten und ansteckenden Hautkrankheit gekommen war und die Betroffenen wochenlang auf Arzneimittel warten mussten. Im Mai brachte Infectopharm die erste Ivermectin-haltige Tablette auf den Markt, sodass die Notimporte obsolet wurden.
Zuletzt kam der Notparagraph im Juni zur Anwendung. GlaxoSmithKline (GSK) konnte Infanrix hexa nicht liefern, bei Sanofi Pasteur MSD war Hexyon betroffen. Die beiden Impfstoffe werden standardmäßig zur Grundimmunisierung von Säuglingen gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Haemophilus-influenzae-b, Poliomyletisi und Hepatitis B angewendet. Weil auch die entsprechenden Fünffachimpfstoffe bereits seit Monaten defekt waren, genehmigte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) den Import aus anderen Ländern. Nachschub konnte so aus Frankreich und Italien beschafft und der Engpass damit überbrückt werden.
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