Das Landessozialgericht (LSG) Berlin/Brandenburg hat jetzt erstmals einen Schiedsspruch aufgehoben, der sich gegen einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wendete, und damit der Klage eines Herstellers stattgegeben. Es geht um die Festsetzung des Erstattungsbetrages für das Arzneimittel Constella (Linaclotid) von Almirall.
Das Medikament ist zugelassen zur symptomatischen Behandlung des mittelschweren bis schweren Reizdarmsyndroms bei Obstipation (RDS‑O) bei Erwachsenen. Im vorangegangenen Verfahren der frühen Nutzenbewertung hatte der G-BA mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 festgestellt, dass ein Zusatznutzen von Linaclotid gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt sei. Zweckmäßige Vergleichstherapie sei die Ernährungsumstellung entsprechend ärztlicher Beratung sowie die symptomorientierte Behandlung (Obstipation, Blähungen, Krämpfe, Schmerzen). Im Rahmen dieser zweckmäßigen Vergleichstherapie fielen ausschließlich Kosten für die Behandlung mit Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Mebeverin an.
Nach Auffassung des LSG leidet dieser Beschluss des G-BA jedoch unter Rechtsmängeln, die auch zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruches führen. So habe der G-BA entgegen der Auffassung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und entgegen der einschlägigen Leitlinie nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb er die Psychotherapie als Vergleichstherapie für generell irrelevant ansehe. Ferner sei die Annahme des G-BA, die ärztliche Beratung zur Ernährungsumstellung als Teil der Vergleichstherapie sei für die gesetzliche Krankenversicherung nicht mit Kosten verbunden, nicht tragfähig.
Es dürfe nicht einfach unterstellt werden, diese ärztlichen Bemühungen seien durchweg durch die Grundpauschale abgedeckt. Entsprechendes gelte unabhängig von der Ernährungsberatung für die ärztlichen Dienste, welche mit der Bekämpfung der Symptome des RDS-O verbunden sein können, beispielsweise für die (Notfall-)Verordnung von Abführmitteln.
Nicht weiter eingegangen ist der 1. Senat des LSG nach eigenen Angaben auf die von der Klägerseite erhobene Rüge, der Erstattungsbetrag stelle einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsfreiheit und in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum dar, weil ein pharmazeutischer Unternehmer mit der Festlegung eines Erstattungsbetrages vor die Wahl gestellt sei, entweder das Arzneimittel in Deutschland ausschließlich zum Erstattungsbetrag abzugeben oder es vom Markt zu nehmen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der 1. Senat des LSG die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Noch vor dem beklagten Schiedsspruch hatte Almirall im April 2014 das Präparat vom Markt genommen. Sie erhob sodann Klage gegen den Schiedsspruch unter anderem mit der Begründung, dass das Nutzenbewertungsverfahren fehlerhaft durchgeführt wurde und sich die Schiedsstelle auf diese Fehlerhaftigkeit einließ. Dem wurde jetzt stattgegeben.
Constella wird einmal täglich oral eingenommen. Der Wirkstoff Linaclotid ist ein Guanylatzyklase-C-Agonist (GCCA). Das Peptid aus 14 Aminosäuren greift an den Rezeptor an, der sich in der Zellmembran von Darmzellen befindet und die Exkretion von Wasser und Chlorid reguliert. Linaclotid löst so die Obstipation. Eine der häufigsten Nebenwirkung ist Diarrhoe.
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