Preissalat bei Bahr und Rösler APOTHEKE ADHOC, 30.08.2012 14:07 Uhr
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lobt sich gerne selbst dafür, dass er und sein Vorgänger und Parteifreund Philipp Rösler es geschafft hätten, das „Preismonopol der Pharmaindustrie“ zu brechen. Leider haben sie dabei unsauber gearbeitet, so denken viele in der Branche: Das plötzliche Nebeneinander unterschiedlichster Preise für Arzneimittel ist nicht nur ein juristisches, sondern auch ein ordnungspolitisches Problem.
Mit der frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln will die Bundesregierung Milliarden einsparen. Der vom Hersteller frei festgelegte Abgabepreis gilt seit AMNOG nur noch im ersten Jahr nach Markteinführung. In dieser Zeit prüft das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) den Zusatznutzen des Medikaments.
Finden die Prüfer einen Mehrwert, muss der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband einen Preis aushandeln – ansonsten landet das Produkt in einer Festbetragsgruppe. Das Verhandlungsergebnis gilt formal aber nicht als neuer Listenpreis, sondern als Rabatt auf den Herstellerabgabepreis, der unverändert bleibt.
Für die Firmen ist der Eintrag in der Lauertaxe die letzte Bastion vor der internationalen Preisspirale. Aus diesem Grund haben sie, gemeinsam mit der Union, bis zuletzt dafür gekämpft, dass zumindest in der Software alles beim Alten bleibt. Das stellte sich als wenig praktikabel heraus: Ärzte, Apotheker und Rechenzentren, aber auch beispielsweise die Reimporteure müssen nun einmal wissen, wie teuer ein Produkt am Ende wirklich ist.
Insofern war schnell klar, dass es keine Geheimniskrämerei im großen Stil geben würde. Eine direkte Abrechnung zwischen Kasse und Hersteller wie bei den Rabattverträgen kam auch nicht in Frage, da einerseits nur einzelne Produkte, andererseits aber alle Kassen beteiligt sind.
Nun könnte das Nebeneinander der beiden Preise noch Sinn machen, wenn beide Beträge eine Funktion hätten. Doch laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) richten sich auch die Zuschläge für Apotheken und Großhandel, die Zuzahlung der Patienten und die Berechnung der Mehrwertsteuer nach den tatsächlichen Erstattungsbeträgen.
Nur die Festbeträge würden nach derzeitigem Stand noch anhand der Listenpreise berechnet – allerdings dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Kassen auch hier den Erstattungspreis ins Spiel bringen: Wer mal eben einen zusätzlichen Sparbeitrag bei Apotheken und Großhandel mitnimmt, wird bei seinem wichtigsten Instrument kaum darauf verzichten.
Kompliziert wird es auch dadurch, dass mit dem Erstattungsbetrag der 16-prozentige Herstellerrabatt abgelöst werden kann – aber nicht muss. Je nach Verhandlungsergebnis müssen die Rechenzentren den von den Kassen gekürzten Betrag eintreiben oder auch nicht.
Mit seiner rechtlichen Einschätzung hat das BMG alle Fachverbände kalt erwischt. Weder im Gesetzgebungsverfahren noch im Gesetzestext sei diese Intention erkennbar gewesen, heißt es in Berlin. Weil der Gesetzgeber einen „Rabatt“ realisieren wollte, hatten Hersteller und GKV-Spitzenverband in ihrer Rahmenvereinbarung sogar explizit vereinbart, dass sich der Apothekenverkaufspreis unabhängig vom Erstattungsbetrag auf Grundlage des Listenpreises berechnet.
Doch offenbar war die Verlockung für die Kassen zu groß. Umso mehr bemüht sich der GKV-Spitzenverband jetzt, schnell Nägel mit Köpfen zu machen. Bis November hat das BMG den Parteien Zeit gegeben. Bei ABDA und Phagro und vermutlich auch bei den Herstellerverbänden läuft die juristische Prüfung daher auf Hochtouren.
Es geht um weitaus mehr als nur um Brilique & Co.: Einerseits ist nämlich auch der PKV-Bereich betroffen. Andererseits will der G-BA bald auch den Bestandsmarkt prüfen. Dann könnten die Preise und Margen auch für so manches Altoriginal purzeln. Nur der Listenpreis würde dann weiter tapfer in der Software stehen.