Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat ein Gutachten zur Überprüfung der Preisbindung in Auftrag gegeben. Einem Sprecher des BMG zufolge soll damit das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) unterstützt werden. Trotzdem machen sich die Apotheker Sorgen: Ein Ende der Preisbindung würden sie nach eigener Einschätzung wirtschaftlich nicht überleben, wie eine aktuelle aposcope-Umfrage zeigt.
Vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beauftragt wurden diesmal das Iges-Institut und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Gutachten befasst sich laut einem Ministeriumssprecher „mit den möglichen Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung beziehungsweise der Gewährung von Boni bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“. Ergebnisse erwartet das BMG Mitte des Jahres.
Und was erwarten die Apotheker? Immerhin zwei Drittel (68 Prozent) gehen davon aus, dass es bei einer Analyse nur eine Antwort geben kann: Die Preisbindung ist für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln essenziell. 18 Prozent rechnen damit, dass die Preisbindung formal erhalten bleibt, Apotheken aber die Gewährung von Rx-Boni erlaubt wird. Weitere 13 Prozent erwarten, dass die Gutachter eine komplette Preisfreigabe auf allen Handelsstufen empfehlen werden.
Und was würde das für die Apotheken bedeuten? Die Inhaber sehen schwarz: Ausnahmslos teilen sie die Erwartung, dass ein Ende der Preisbindung das Aus für tausende Apotheken bedeuten würde: 100 Prozent stimmen dieser Aussage zu, 71 Prozent davon stimmen vollkommen zu. Fast jeder Dritte befürchtet, dass es genau so kommt: 30 Prozent der Apotheker rechnen damit, dass die Preisbindung noch in dieser Legislaturperiode fällt. Entsprechend hofft allerdings eine Mehrheit (64 Prozent) noch darauf, dass es dazu zumindest mittelfristig nicht kommt. 6 Prozent sind bei der Frage unsicher.
Sollten Rx-Boni für alle Apotheken erlaubt werden, würde Stand jetzt eine Mehrheit dennoch versuchen, an den Fixpreisen festzuhalten: 58 Prozent würden keine Rx-Boni gewähren, weil das „wirtschaftlich nicht darstellbar“ sei. 29 Prozent würden versuchen, ein eigenes Bonus-Modell zu entwickeln ohne pauschal Rabatte auf Rx-Arzneimittel zu gewähren. Und 13 Prozent würden Rx-Boni in marktüblicher Höhe anbieten, um im Wettbewerb zu bestehen – was auch immer das dann konkret bedeuten würde.
Der Blick auf den OTC-Markt zeigt, dass eine defensive Preisstrategie durchaus verbreitet ist: 82 Prozent der Befragten gaben an, bei den freiverkäuflichen Arzneimitten hauptsächlich nach Listenpreis zu verkaufen mit vereinzelten Sonderangeboten. Weitere 11,2 Prozent verkaufen sogar konsequent nach UVP/AVP. Nur eine Minderheit von 7,1 Prozent versucht ihr Glück mit dauerhaften Rabatten auf weite Teile des Sortiments. In die Kategorie „Discount-Angebot mit Tiefpreisgarantie“ hat sich keiner der Befragten einsortiert.
Mit dem VOASG sollen pharmazeutische Dienstleistungen gesondert vergütet werden. Der Gesetzgeber will mit der Maßnahme die Apotheken vor Ort gegenüber dem Versandhandel stärken. Ob das gelingt, wird maßgeblich von den definierten Leistungen und der mit dem GKV-Spitzenverband zu verhandelnden Vergütung abhängen. Als Alternative zum fixen Packungshonorar mit Rabattverbot sehen die Apotheker die neuen Honoraroptionen aber nicht: 89 Prozent widersprechen der Aussage, dass die Preisbindung ruhig wegfallen könnte, wenn pharmazeutische Dienstleistungen angemessen honoriert würden.
Eine Freigabe der Rx-Preise würde mutmaßlich gerade im Versandhandel zu einem harten Preiswettbewerb führen wie er auch im OTC-Geschäft zu beobachten ist. Trotzdem erwarten die meisten Teilnehmer, dass die Versender profitieren würden. Allerdings gibt es auch eine gar nicht so kleine Minderheit von 25 Prozent die glaubt, dass freie Rx-Preise für den Versandhandel ruinös wären.
Zwar beteuert das BMG, mit dem Gutachten die Preisbindung stützen und nicht stürzen zu wollen. Doch die Apotheker trauen dem Braten nicht: 72 Prozent halten das Gutachten für ein Feigenblatt: Politisch sei die Entscheidung zur Aufgabe der Preisbindung längst gefallen. Nur 19 Prozent widersprechen dieser Aussage.
Eine Mehrheit von 57 Prozent glaubt auch nicht, dass das Gutachten genauso in der Schublade verschwinden wird wie das 2hm-Gutachten. Das Marktforschungsunternehmen hatte im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) Apotheker befragt sowie mit umstrittenen Methoden den Markt analysiert und der Politik in der Folge ein Einsparpotenzial von rund einer Milliarde Euro im Apothekenmarkt aufgetischt. Zwar hat die Regierung nie auf die Empfehlungen zurückgegriffen, als Druckmittel wurde das Gutachten aber auch von Spahn schon erwähnt.
An der aposcope-Umfrage nahmen am 8. und 9. Januar 2020 bundesweit 98 verifizierte Apothekeninhaber teil.
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