Preisbindung: Entscheidung fällt in Leipzig Alexander Müller, 16.01.2019 11:02 Uhr
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wird sich mit der Frage befassen, ob man deutschen Apotheken die Gewährung von Rx-Boni verbieten darf, wenn dies ausländischen Versendern erlaubt ist. Inländerdiskriminierung lautet das Stichwort. Im Ausgangsstreit ging es um ein Paar Kuschelsocken.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte diese Zugabe bei der Abgabe preisgebundener Arzneimittel für unzulässig erklärt. Revision wurde nicht zugelassen. Doch die Nichtzulassungsbeschwerde der Apothekerin beim BVerwG hatte Erfolg. Die Sache wird also jetzt in Leipzig weiter verhandelt.
Das BVerwG sieht die grundsätzliche Bedeutung des Falls: „Das Revisionsverfahren wird dem Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob die für inländische Apotheken geltende Preisbindung für Arzneimittel in Folge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Oktober wegen ‚Inländerdiskriminierung‘ mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.“
Zuletzt hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage der Inländerdiskriminierung befasst. Doch die Karlsruher Richter sahen im Verfahren um ein Bonus-Modell der Versandapotheke Apotal keine Notwendigkeit, Boni für alle zuzulassen. Zwar seien ausländische Versender seit der EuGH-Entscheidung privilegiert, der deutsche Gesetzgeber könne die Preisbindung im Inland aber immer noch mit der flächendeckenden Versorgung rechtfertigen. Erst wenn diese durch „Holland-Boni“ gefährdet wäre, hätte eine Klage demnach Aussicht auf Erfolg.
Der Ausgangsstreit im Verfahren vor dem BVerwG: Zwei Apothekerinnen aus dem westfälischen Coesfeld hatten 2013 und 2014 ihre Kunden beim Einlösen von Rezepten mit einem Gutschein für ein Paar Kuschelsocken oder eine Rolle Geschenkpapier belohnt. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) untersagte ihnen das, sie sah darin einen Verstoß gegen die Preisbindung.
Daraufhin klagten die Frauen. Jedoch ohne Erfolg: Die Geschenke hätten mit 50 Cent zwar einen geringen Wert, so das OVG. Trotzdem ließen sie den Kauf günstiger erscheinen, seien ein geldwerter Vorteil und somit ein Verstoß gegen die Preisbindung. Bereits im Juni 2014 hatte das Verwaltungsgericht Arnsberg entschieden, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe. Damit wollten sich die Bären-Apotheken aber nicht zufrieden geben. Der erste Fall ging somit im Eilverfahren vor das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – die Richter bestätigten allerdings die Entscheidung zugunsten der AKWL.
Das VG Münster hatte sich später im Hauptsacheverfahren wieder mit dem Fall befasst und klargestellt, dass es den früheren Ausführungen nichts hinzuzufügen habe. Weder spiele das Urteil des BGH zu Rabatten bei der Abgabe von Teilmengen eine Rolle, noch komme ein Aussetzen des Verfahrens in Betracht. Die Bären-Apotheken wollten die Entscheidung des EuGH zu Rabatten ausländischer Versender abwarten.
Seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober wachen die Kammern akribisch darüber, dass im Inland die Preisbindung für Arzneimittel hält. Trotz aller Appelle an die „Solidarität der Apotheker“ und damit verbundener Mahnungen gibt es Rx-Preisbrecher: Die Bären-Apotheke in Ratingen versprach ihren Kunden als Gegenleistung für die Abgabe eines Rezeptes eine Werkzeugbox. In den Wir leben-Apotheken von Dirk Düvel erhielten die Kunden für jeden Besuch einen Wertgutschein in Höhe von 50 Cent. Der Fall rief eine Kollegin sowie die Kammer auf den Plan. Später wurde das Modell eingestellt; zuvor hatte das Landgericht Lüneburg Wertgutscheine von 50 Cent für den Besuch einer Apotheke für zulässig erklärt.
Im Frühjahr 2018 erklärte das Berliner Kammergericht, dass Gutscheine im Wert von einem Euro nicht verboten werden können, solange die Apotheken Umschau kostenlos abgegeben wird. In der Urteilsbegründung legte das Gericht dar, warum es die bisherige Rechtsprechung zu geringwertigen Rx-Boni für falsch hält.
Derweil hat der BGH in einem anderen Verfahren dafür gesorgt, dass sich der EuGH wohl noch einmal mit den Rx-Boni von DocMorris befassen muss. Das OLG Köln verbot die Freundschaftswerbung von DocMorris. Hier rechnete man damit, dass der BGH, dessen Rechtssprechung zu Rx-Boni sechs Jahre lang eindeutig war, sich in dem Fall zu den neuen Vorzeichen äußern oder den Fall sogar beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen würde. Doch im November 2017 verwiesen die Richter aus Karlsruhe die Sache aus formalen Gründen zurück, ohne sich inhaltlich mit der Zulässigkeit von Rx-Boni zu beschäftigen.
Aus Sicht des BGH kann – auch nach dem EuGH-Urteil – nicht abschließend beurteilt werden, ob die deutsche Rx-Festpreisbindung mit EU-Recht vereinbar ist. Daher hätte das OLG kein Teilurteil erlassen dürfen. Das hängt aus Sicht der Richter damit zusammen, dass die Entscheidung zu den Rx-Boni von DocMorris „maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen“ beruhte. Aus Sicht des BGH konnte der EuGH nicht alle Hintergründe kennen – weil das OLG Düsseldorf im damaligen Vorlageverfahren sie nicht mit geliefert hatte. So hätten die Richter in Luxemburg nur „zusammengefasst und angenommen, die nationalen Regelung sei nicht in einer Weise untermauert, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs genüge“.
Das OLG München hatte parallel in einem zwischenzeitlich ausgesetzten Verfahren des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen DocMorris die Bundesregierung aufgefordert, weitere Daten zu liefern. Berlin soll Argumente zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Arzneimittelpreisverordnung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln liefern – also die Preisbindung begründen. In der Sache hatte das OLG nicht entschieden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will ausländischen Versendern Rx-Boni von 2,50 Euro erlauben. Der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA), Christian Buse, hält eine Klage gegen diese Idee für zwingend: „Als Unternehmer habe ich keine andere Wahl“, sagte Buse im Interview mit APOTHEKE ADHOC. Dieser Punkt des Spahn-Pakets sei „nicht akzeptabel“. Er warnte Kammern und Verbände vor einer Blockade: „Ein kompromissloses ‚Nein‘ und der Erhalt des Status Quo wären eine Katastrophe für den politischen Dialog der Apothekerschaft.“