In drei Wochen wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Wahlprogramme stehen; welche Pläne die Parteien für die Apotheken haben, wurde bei einem Abda-Talk diskutiert – unter anderem ging es um die geforderte Anpassung des Honorars. Die von Professor Dr. Andrew Ullmann (FDP) ins Spiel gebrachte Gebührenordnung, analog zu den Ärzt:innen, kassierte der neue Abda-Präsident Thomas Preis.
Der gesundheitspolitische Diskussionsabend stand unter einem schlechten Stern. Denn die AfD hatte zuvor einem Fünf-Punkte-Plan der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik zur Mehrheit verholfen – Zustimmung kam auch von der FDP. Damit hat erstmals ein Antrag im Bundestag mithilfe der AfD eine Mehrheit erhalten. Matthias Mieves, Sprecher für E-Health der SPD, sprach von einem geschichtsträchtigen Tag. Doch im Apothekerhaus sollte es um die Apotheken gehen.
Preis, der seit zwei Wochen im Amt ist, sieht einen Zeitvorteil gegenüber der Politik. Denn die neue Abda-Spitze wurde bereits gewählt. Dieser Vorsprung müsse genutzt werden, um die Positionen im Wahlkampf und bei der neuen Bundesregierung zu positionieren. Das Apothekensterben in Rekordhöhe dürfe nicht weitergehen.
Für Mieves sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Man habe ein Problem – die Apothekenzahlen gingen zurück und eine Nachfolge sei immer schwerer zu finden. Die Politik müsse sich Gedanken machen, wie die Apotheken auch in den nächsten 30 Jahren ein Pfeiler der Gesundheitsversorgung sein können. „Apotheken sind keine Premiumlogistiker, sondern ein wertvoller, ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesundheitsversorgung.“ Drei Punkte sind Mieves wichtig: Die Vergütung muss adäquat neu aufgestellt, den Teams in der Praxis die Arbeit erleichtert sowie das Leistungsspektrum mit entsprechender Honorierung erweitert werden.
Auch für den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU, Tino Sorge, ist klar, dass Politik die Rahmenbedingungen vorgeben, aber auch die Selbstverwaltung ermöglichen muss. Das Fixum müsse erhöht werden. Apotheker müssten wieder machen dürfen, was sie könnten und mehr Beinfreiheit in puncto Austauschbarkeit, Impfen sowie Monitoring von Behandlungen erhalten. Vor Ort gebe es viele gute Apotheker, die das machen wollten. Allerdings müsse Apotheke so attraktiv gemacht werden, dass nicht ständig darüber gesprochen werden müsse, dass jedes Jahr 500 Apotheken vom Netz verschwinden.
Für Ullmann bedarf es eines klaren Bekenntnisses zum freien Beruf. Dieses wurde aus dem Koalitionsvertrag gestrichen, weil es hieß, Freiberuflichkeit sei eine Selbstverständlichkeit. Die Ampel habe die Freiberuflichkeit jedoch in Frage gestellt. Für den FDP-Politiker ist klar, dass es weniger staatliche Regulierung bedarf.
Es braucht eine Soforthilfe, macht Preis deutlich. Im Wahlkampf werde viel versprochen. „Wir werden die Parteien daran messen, was sie uns sagen.“ Die Analyse der Wahlprogramme zeige, dass Apotheke im Vergleich zu 2021 darin angekommen sei. Genauso wie die Bürgerinnen und Bürger erkenne die Politik, dass die Arzneimittelversorgung unter den aktuellen Umständen auf dem hohen Niveau nicht aufrechterhalten werden könne.
Es brauche ein Vorschaltgesetz. Apotheken müssten darin erfasst werden und die wirtschaftliche Situation der Apotheken sofort verbessert werden. Seit Jahren sei das Apothekenhonorar nicht erhöht worden, da brauche es „keinen Rechenschieber“, dass könne jeder im Kopf ausrechnen, dass es so nicht aufgehe. „Wir brauchen dringend Unterstützung.“ Hierzulande gebe es überdimensional viele Klinikbetten, so viele Arztkontakte wie in keinem anderen europäischen Land – aber die Apothekenlichte liege unter dem Durchschnitt. „Verteilen Sie die Gelder gerecht“, fordert Preis.
Mieves verwies darauf, dass Teile der drei Punkte im Reformentwurf standen. Doch zu einer Umsetzung sei es nicht gekommen, weil es in einem Punkt – der „Homeoffice-Regelung für Apotheker:innen“ – keine Einigung gab. Daher sei das gesamte Gesetzesvorhaben gescheitert.
Man brauche einen Mechanismus ähnlich der ambulanten ärztlichen Versorgung, so Mieves. Denn es gebe ein Problem bei den Packungspreisen: Werde der Wirtschaftsminister nicht aktiv, gebe es auch keine Erhöhung. Ärzt:innen hätten hingegen jedes Jahr eine Erhöhung erhalten, im Gegensatz zu den Apotheken. Daher spricht sich Mieves klar für die Verhandlungslösung im Rahmen der Selbstverwaltung aus – auch wenn der Mechanismus nicht einfach sei.
Für Sorge braucht es zwei Stränge. Es müsse am Fixum nachjustiert werden – auf welchen Betrag, verriet Sorge nicht. Klar sei jedoch, dass 8,35 Euro zu wenig seien. Zudem müsse die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) angepasst werden.
Das Gesundheitssystem sei eines der teuersten der Welt, mahnt Ullmann. Dabei seien die Apotheken aber die geringsten Kostentreiber. Aber die überbordende Bürokratie mache die Arbeit der Apotheken ineffizient, beispielsweise beim Austausch im Falle eines Lieferengpasses. „Time is money.“ Pharmazeutische Beratung werde nicht bezahlt, auch nicht, wenn es ein Fixum gebe.
„Warum haben Apotheken keine Gebührenordnung für Pharmazeuten mit abrechenbaren Leistungen, die verhandelt werden“, fragte Ullmann. „Das wäre meine Vorstellung von einem freien Beruf.“ Allerdings dürfe die Multidimensionalität des Systems nicht außer Acht gelassen werden. Zudem fehle das Wirtschaftswachstum. „Wie sind im dritten Jahr der Rezession.“ Es brauche eine Systemänderung.
Warum wollen Apotheken keine Gebührenverordnung, sondern eine Honorarerhöhung – wollte Ullmann von Preis wissen. Wie eine Gebührenordnung für Apotheken konkret aussehen könnte, müsse ja erst mit den Apothekern entwickelt werden.
Die Ärzteschaft sei gar nicht so zufrieden mit dem KV-System, konterte Preis und sprach von einem vergifteten Angebot. Ärzte würden auch nur gut aufgrund der Verhandlungslösung fahren, nicht wegen der Gebührenverordnung. Eine Verhandlungslösung sei auch für Apotheken vorstellbar, aber mit klaren Leitplanken. Apotheken setzten jetzt auf Sofortlösung und dann auf eine Umstrukturierung der Honorierung.
„Wenn wir einen festen Mechanismus bekommen, ist eine Verhandlungslösung möglich“, so Mieves. Bei der Verhandlungslösung müsse nachgebessert werden, so Preis. Denn das BMG dürfe nicht das letzte Wort haben, um ein Verhandlungsergebnis sicherlich zum Nachteil der Apotheker:innen zu korrigieren.
Für Ullmann ist Telepharmazie eine Videokonferenzberatung zwischen Patient und Pharmazeut, die auch im Dreierbund mit einem Arzt möglich ist. Für Mieves soll Telepharmazie die Arbeit erleichtern und bereichern sowie eine flexiblere Beratung für Patient:innen bieten. Eine Apotheke gänzlich ohne Apotheker lehne er ab.
Versand sei eine Ergänzung, sagte Mieves und forderte von den Apotheken mehr Selbstbewusstsein ein. „Vor-Ort-Apotheken sind viel besser, schneller, näher dran und können mehr als Versand jemals leisten wird“, so Mieves. Die Rahmenbedingungen müssten so weiterentwickelt werden, dass Apotheken gestärkt würden und zukunftssicher seien.
Versand müsse nicht verboten werden, aber es gebe keinen fairen Wettbewerb, findet Sorge. Die Gesetze müssen nachgeschärft und Regeln durchgesetzt werden. Politik müsse dafür sorgen, dass Versender und Vor-Ort-Apotheken mit „gleichlangen Spießen“ ausgestattet seien.
„Die öffentlichen Apotheken müssen vor Versendern geschützt werden“, fordert Preis. Zudem dürfen Arzneimittel der Engpassliste nicht über den Versandhandel geliefert werden. Für Preis wird der Versandhandel von der Politik zu sehr protegiert.