ARMIN stolpert über Ärzte-EDV Julia Pradel, 09.07.2014 12:42 Uhr
Seit Monatsbeginn ist das Modellprojekt Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) scharf gestellt: Nach der Einschreibephase können die Ärzte jetzt Wirkstoffverordnungen ausstellen. Eine solche Verordnung dürften Apotheker bislang aber kaum gesehen haben – denn erst eine einzige Praxissoftware von 180 hat die neue Verordnungsmethode umgesetzt. Das Interesse der Ärzte an ARMIN ist offenbar gering – und somit auch die Nachfrage bei den Softwarehäusern.
Das Unternehmen Medatixx bietet inzwischen für sein Programm x.isynet ein ARMIN-Update an – nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen. Ärzte, die diese Software nutzen und das Update erwerben, können ab sofort an dem Modellprojekt teilnehmen. Für die Programme x.concept und x.comfort sollen die neuen Funktionen ab Oktober erhältlich sein.
Allerdings ist damit nur ein Anbieter mit einer Software auf die Wirkstoffverordnung auf dem Markt. Die Software x.isynet von Medatixx nutzen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) 8 Prozent der Ärzte. Zusammen mit den Programmen x.concept und x.comfort kommt der Anbieter auf insgesamt 17 Prozent Marktanteil.
Marktführer ist die CompuGroup: Mit insgesamt sieben verschiedenen Programmen kommt der Anbieter aus Koblenz auf einen Marktanteil von 34 Prozent. Die zwei am häufigsten verwendeten Systeme sind Medistar (13 Prozent) und Turbomed (11 Prozent). Der Markt bei Praxissoftware ist im Ganzen sehr kleinteilig: Insgesamt gibt es der KBV zufolge knapp 180 verschiedene EDV-Systeme, die in Arztpraxen genutzt werden. Rund zwei Drittel aller Ärzte nutzen eines der am zehn häufigsten verwendeten Programme.
Koordiniert wird die Software-Umsetzung von der AOK-Tochter Gevko, die IT-Standards für Versorgungsmanagement entwickelt. Von der Gevko stammt auch die S3C-Schnittstelle, die es Software-Herstellern ermöglicht, eine Vielzahl von Versorgungsverträgen abzubilden. Derzeit betreut das Unternehmen unter anderem die IT-Umsetzung von knapp 20 Selektivverträgen.
In Zusammenarbeit mit der Gevko und der AOK hat Medatixx seine Software weiterentwickelt und schließlich von der AOK-Tochter zertifizieren lassen. Da die Entwicklung eine Art Findungsprozess gewesen sei, habe man zunächst nur ein System auf ARMIN vorbereitet, erklärt Medatixx-Geschäftsführer Jens Naumann.
„Es gibt bei den Ärzten eine große Sorge, dass die Funktionen für ARMIN den Workflow durcheinanderbringen“, sagt Naumann und beruhigt: Nutze ein Arzt das ARMIN-Update von Medatixx, erhalte er bei AOK Plus-Versicherten den Hinweis, eine Wirkstoffverordnung auszustellen. Auf dem Rezept erscheint dann ein sechsstelliger Code innerhalb von zwei Rauten, die „WG14-Nummer“. Auf diese Weise sind die Wirkstoffe verschlüsselt, sodass Verwechslungen vermieden werden.
Das Software-Update müssen die Ärzte kaufen: Einmalig werden laut Naumann knapp 200 Euro fällig, monatlich kostet das Programm dann 40 Euro. Für die Software-Anpassungen erhalten Apotheker und Ärzte im Rahmen von ARMIN einmalig 1500 Euro von der AOK – zumindest, wenn sie sich noch im zweiten Quartal eingeschrieben haben. Wer sich im dritten Quartal anmeldet, erhält 1000 Euro, ab Oktober 500 Euro.
Das Interesse bei den Ärzten ist aber gering. „Die Ärzte betrachten das Projekt nicht mit so viel Liebe wie die Apotheker“, so Naumanns Einschätzung. Derzeit seien Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), der AOK und der Apotheker unterwegs, um über das Modellprojekt aufzuklären. Technisch gibt es aus seiner Sicht keine Schwierigkeiten, die Wirkstoffverordnung umzusetzen – die Ärzte müssten nur wollen. „Spannend werden die nächsten Schritte“, so Naumann mit Blick auf den geplanten gemeinsamen Medikationsserver.
Der Medatixx-Geschäftsführer ist überzeugt, dass sich die Wirkstoffverordnung auch jenseits von ARMIN etablieren kann. Das sieht Gevko-Geschäftsführer Professor Dr. Guido Noelle ähnlich: Er setzt darauf, dass sich die S3C-Schnittstelle schnell als Standard im Markt durchsetzt. Die neuen Funktionalitäten könnten auch in anderen Projekten eins zu eins genutzt werden. „Hier zeigt sich der Vorteil der S3C-Schnittstelle für alle Beteiligten: einmal programmiert – vielfach genutzt“, so Noelle.
Doch nicht alle Marktteilnehmer sind so überzeugt: Bei der CompuGroup ist das Interesse an ARMIN eher gering, eine Funktion für die Wirkstoffverordnung gibt es noch nicht. Ein Sprecher erklärt: „Bis dato haben wir das noch nicht integriert, da es keinerlei Nachfrage aus dem Markt gibt. Wenn unsere Anwender das wünschen, werden wir das selbstverständlich anbieten und leisten.“ Bis dahin müssen Apotheker, in deren Nachbarschaft Ärzte diese Software nutzen, also weiter auf Wirkstoffverordnungen warten.
Eigentlich sollten sich Apotheker und Ärzte im Einschreibequartal ab April für ARMIN anmelden, damit es im Juli losgehen kann. Bei den Verantwortlichen sieht man den schleppenden Start dennoch gelassen: Manche Software-Hersteller seien naturgemäß schneller, andere langsamer, sagte eine Sprecherin der KV Sachsen. Das Problem ist aus ihrer Sicht, dass die Ärzte auf die Software warten – und die Software-Anbieter auf die Ärzte. „Irgendeiner muss den Anfang machen.“