Ein Urteil des Bundessozialgerichts zu Poolärzten schlägt mit einigen Wochen Verzögerung hohe Wellen in Rheinland-Pfalz – und bringt in der Folge den dortigen Gesundheitsminister mächtig gegen die Kassenärztliche Vereinigung auf.
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts zur Sozialversicherungspflicht von Poolärzten sollen in Rheinland-Pfalz zu Beginn des kommenden Jahres sieben Bereitschaftspraxen geschlossen werden. Es handele sich um die Praxen in Altenkirchen, Andernach, Emmelshausen, Frankenthal, Gerolstein, Ingelheim und Landstuhl, teilte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz mit. Die Vertreterversammlung der KV habe sich am Mittwoch entschieden, die Regelungen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes notgedrungen zum 1. Januar 2024 anzupassen.
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) reagierte empört. Er teilte mit: „Diese Übersprungshandlung der KV ist nicht nachvollziehbar und geht zu Lasten der Patientinnen und Patienten.“ Die Leidtragenden seien auch die Krankenhäuser und Notaufnahmen, die das kompensieren müssten. Es sei schlicht Aufgabe der KV, den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst sicherzustellen, sie sei verpflichtet, gesetzlich Krankenversicherten auch außerhalb der Sprechzeiten der Praxen eine Versorgung anzubieten. Er werde den Vorstand der KV zeitnah ins Ministerium einbestellen. „Es kann nicht sein, dass die KV ihre Hausaufgaben nicht erledigt und dann Schuldzuweisungen an andere ausspricht“, kritisierte Hoch.
Hintergrund des Ganzen ist ein Urteil des Bundessozialgerichts vom Oktober. Es hatte entschieden, dass ein Zahnarzt aus Baden-Württemberg sozialversichert werden muss, wenn er als sogenannter Poolarzt einem von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Notdienst nachkommt. Die KV hatte zunächst eine Prüfung der Folgen für Rheinland-Pfalz angekündigt. Heute hieß es in einer Mitteilung, der Richterspruch wirke sich erheblich auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) im Land aus. Als Konsequenz würden auch die Dienststunden des ÄBD ab Januar 2024 verkürzt.
Laut KV gibt es derzeit in Rheinland-Pfalz 427 Poolärztinnen und -ärzte, die sich neben ihren niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen im ärztlichen Bereitschaftsdienst engagieren. Im Bereitschaftsdienst deckten diese rund 60 Prozent der Dienste ab und müssten nun Sozialbeiträge abführen – auch rückwirkend für vier Jahre. Angesichts dessen forderte die KV von den „politisch Verantwortlichen“ eine auch rückwirkend geltende Ausnahmeregelung.
Das Ministerium teilte mit, es seien lediglich rund zehn Prozent dieser im Bereitschaftsdienst tätigen Ärztinnen und Ärzte von der Sozialversicherungspflicht erstmalig betroffen – eine Pflicht, die im Übrigen in Deutschland für jeden Arbeitnehmer gelte. Das Gericht habe mit seiner Entscheidung der Scheinselbstständigkeit bei einigen Poolärzten einen Riegel vorgeschoben. Die KV habe sicherzustellen, dass anfallende Sozialabgaben ordnungsgemäß gezahlt werden. „Dies nun als Anlass zu nehmen, ihren Sicherstellungsauftrag bei der Bereitstellung des Bereitschaftsdienstes nicht erfüllen zu wollen, ist ein rein vorgeschobenes Argument und eine mehr als eigenmächtige Interpretation“, sagte Hoch laut einer Mitteilung.
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