Kommentar

Politikerbesuche zeigen Wirkung – jetzt dranbleiben! Lilith Teusch, 01.10.2024 10:20 Uhr

In den vergangenen Monaten haben die Politikerbesuche in deutschen Apotheken zugenommen – hier besucht Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff die Apotheke am Bahnhof in Halberstadt. Foto: Pohl/AK-SA
Berlin - 

Seit Anfang des Jahres gehen Politikerinnen und Politiker in den Apotheken ein und aus, fast kein Tag vergeht, in dem nicht irgendwo über die fatalen Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) informiert wird. Und längst stehen nicht mehr nur Lokalpolitiker auf der Besucherliste. Auch Partei- und Fraktionschefs, Ministerpräsidenten und sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben Apotheken besucht – und die Besuche zeigen Wirkung. Ein Kommentar von Lilith Teusch.

Die Situation der Apotheken ist alles andere als rosig. Das Skontoverbot hat die wirtschaftliche Situation vieler Betriebe in diesem Jahr noch weiter verschärft, und eine Anpassung der Honorierung liegt weiterhin in weiter Ferne. Zudem hängt die Apothekenreform wie ein Damoklesschwert über der Branche. Wachsende Frustration und Politikverdrossenheit sind da kaum verwunderlich. Auch der konfliktarme Kurs der Abda stößt bei vielen Kolleginnen und Kollegen auf Kritik und verstärkt damit das Gefühl, von der eigenen Standesvertretung im Stich gelassen zu werden.

So klang es eher wie ein verzweifelter Hilferuf, als die Abda im vergangenen Herbst die Apothekenteams aufforderte, Politiker in die Apotheken einzuladen, um sie über die prekäre Situation vor Ort zu informieren. Was kann man von solchen Besuchen schon mehr erwarten als die üblichen Lippenbekenntnisse?

Tatsächlich scheint die Rechnung aber aufgegangen zu sein: In den letzten sechs Monaten haben Dutzende Politiker aller großen Parteien Apotheken in ihren Wahlkreisen besucht. Sie haben den Apothekern zugehört, ihre Probleme aufgenommen und teilweise sogar in die politische Diskussion eingebracht.

Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Apothekenbesuche von Politikern waren eine Seltenheit, und viele Apothekerinnen und Apotheker hätten es wohl weder als ihre Aufgabe gesehen noch sich kompetent genug gefühlt, diese Rolle zu übernehmen.

Auch wenn die zahlreichen Besuche bislang nicht zu einem Kurswechsel geführt haben: Dass die Apotheken unter massiven Problemen leiden, ist mittlerweile nicht mehr zu leugnen. Oft sind es erstaunte Gesichter, in die Apothekerinnen und Apotheker bei ihren Gästen blicken. Das habe man ja gar nicht gewusst, wird häufig gesagt. Diese Ausrede zählt nicht mehr. Selbst die Medien, die früher reflexartig in Stereotypen verfielen, haben erkannt, dass die Klagen und Proteste der Apothekerschaft einen bitteren Kern haben.

Es ist also an der Zeit, einmal das Positive in der Krise hervorzuheben. Die Apotheken sind in der Not zusammengerückt und aktiv geworden. Erst die Proteste, jetzt die Gespräche. Während das Land unter Politikverdrossenheit, Populismus und Spaltung leidet, setzen sich die Apotheken ein – für ihre Sache, aber vor allem im Dienste ihrer Patientinnen und Patienten. In den Gesprächen tauchen immer wieder die bekannten Themen auf: die Lieferengpässe, das Ausbluten der Apotheken und die drohende Verschlechterung der Versorgung.

Auch wenn nicht jeder Politiker sofort seine Meinung ändert, scheint es doch gelungen zu sein, bei vielen Abgeordneten ein Umdenken anzustoßen. Gelegentlich werden die Betriebe sogar zum Schauplatz klarer Bekenntnisse der Politiker – vor allem, wenn es um die Ablehnung von Lauterbachs Light-Apotheken geht. Auch das oft gegebene Abschiedsversprechen, die angesprochenen Probleme an die Verantwortlichen in den jeweiligen Parteien weiterzuleiten, scheint nicht nur ein Lippenbekenntnis zu sein.

Weitermachen!

Nun gilt es, das neu erwachte Interesse der Politik an der Arbeit der Apotheken vor Ort aufrechtzuerhalten. Denn unabhängig von Lauterbachs Position müssen die Anliegen der Apotheken auch nach ihm auf der politischen Agenda bleiben, wenn sich etwas verbessern soll. Und bei den persönlichen Besuchen hat jede Apotheke selbst die Chance, abseits der von der Standesvertretung formulierten Forderungen, ihre eigenen Punkte zu Gehör zu bringen.