Am letzten Tag des diesjährigen Treffens hat sich der Deutsche Apothekertag (DAT) ausführlich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung beschäftigt. Einig waren sich die Delegierten darin, Anwendungen der „wissensgestützten Entscheidungsfindung“, umgangssprachlich als „künstliche Intelligenz“ bezeichnet, zwar zu nutzen, deren Einsatz im Apothekenalltag aber zu kontrollieren. Schutz suchen die Apotheker bei der Politik: Sie soll die Existenz der Apotheker vor den Folgen der Digitalisierung schützen.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt fasste zum Abschluss des DAT die zwiespältige Stimmung zusammen: „Die Digitalisierung ist ein Thema, das mir Sorgen macht.“ Er sehe in vielen Fragen einen Konflikt zwischen den Chancen und Risiken der technischen Entwicklung. Neben den Möglichkeiten halte er daher die Warnungen für gerechtfertigt, „dass wir in die Nähe es Kerns kommen, der unseren Beruf ausmacht: des Kontaktes mit dem Patienten von Angesicht zu Angesicht.“
Zum Auftakt der Diskussion über die Digitalisierung verabschiedeten die Delegierten einen Appell an die Politik, der die Sorgen der Apotheker ausdrückt: Bei allen Maßnahmen und Plänen zur Digitalisierung im Gesundheitssektor solle der Gesetzgeber „dafür Sorge tragen, dass die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken vor Ort nicht gefährdet wird“.
Angenommen wurde ein Antrag des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, zum Thema künstliche Intelligenz. In der Forschung, in der Versicherungswirtschaft, in der Rechtsfindung und auch in der Medizin kämen bereits vermehrt Systeme des „Deep Learnings“ zum Einsatz – selbstlernende Software. „Wie stellen wir uns als Apotheker zu diesen Anwendungen“, fragte Verbandsvorsitzender Peter Froese. Wissenschaftliche Heilberufe wie die Apotheker sollten den Nutzwert solcher Anwendungen nutzen, aber immer als „Filter“ hinter der Software die Ergebnisse der künstlichen Intelligenz prüfen. Froese: „Der Mensch trifft die letzte Entscheidung.“ Daher solle die Apothekerschaft den Einsatz künstlicher Intelligenz in Apotheken prüfen und „gegebenenfalls Regeln für deren Einsatz definieren“.
Zu einer längeren kontroversen Diskussion kam es über den Antrag der Landesapothekerkammer Hessen zur Entwicklung einer App, die die Verfügbarkeit von Arzneimittel im Notdienst auch für Patienten und Ärzte erkennbar macht. Eine Delegierte lehnte diesen Vorschlag mit dem Argument ab: „Wenn ich Arzt bin, rufe ich in der Apotheke an.“ DAV-Chef Fritz Becker sah darin ein Einfallstor für die Krankenkassen: „Die hätten vollen Einblick in unsere Warenlager“ und fürchtet neue Ansatzpunkte für Retaxationen. Rainer Bienfait vom Berliner Apothekerverein fügte hinzu: „Auch Konkurrenten hätten Einblick in mein Warenlager.“
Hans-Peter Hubmann wiederum warnte vor der Einschränkung der Handlungsfreiheit der Apotheker im Notdienst: „Unsere große Kompetenz geht verloren.“ „Im Notdienst ist die Situation anders als in der digitalen Welt“, lehnte auch Stefan Fink vom Apothekerverband Thüringen eine solche App ab: „Wir machen uns damit überflüssig, schwächen uns selbst.“
Umso bemerkenswerter war daher der Wortbeitrag von Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge. Sie stellte sich auf die Seite der Antragssteller: „So einfach ist das nicht.“ Die Lieferprobleme würden die Apotheken gerade im Notdienst immer stärker unter Druck setzen. Eine rasche Klärung durch ein Telefonat mit dem verordnenden Arzt werde zudem immer schwieriger, weil sich der ärztliche Notdienst in die Notfallpraxen der Krankenhäuser verlagere. „Ich finde diesen Gedanken interessant“, schlug Korf die Einrichtung eines Ausschusses vor.
Holger Seyfarth, neuer Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes HAV, hält eine solche App wegen der Vorteile für Patienten für sinnvoll, „weil sie dann wissen, wo sie ihr Medikament bekommen. Und Günter Hanke, Präsident der Apothekerkammer Baden-Württemberg, die einen vergleichbaren Antrag vorgelegt hatte, warnte vor reflexartiger Ablehnung von Apps. Er sei verwundert über die vorgetragenen „Totschlagargumente“.
Schließlich verständigten sich die DAT-Delegierten darauf, dass noch die Entscheidung über eine Verfügbarkeits-App im Notdienst angesichts der kontroversen Meinungen noch nicht reif sei und verwiesen die Frage in den Ausschuss.
Zustimmung fanden hingegen Anträge zur Entwicklung eines elektronischen Arzt-Apotheken-Informationssystems. ABDA-Präsident Schmidt kündigte dazu in absehbarer Zeit Entscheidungen an: „Wir sind darüber mit der KBV bereits im Gespräch.“ Auf Zustimmung stieß auch der Antrag, ein bundesweites apothekeninternes Informationssystem zum Retaxgeschehen aufzubauen: „Diese Schnittstelle erleichtert den Apotheken und den Verbänden die Bearbeitung der Retaxationen“, heißt es im Antrag. Außerdem soll die ABDA ein Informationssystem über nicht mehr im Verkehr befindliche Arzneimittel aufbauen.
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