Plan B liegt auf dem Tisch: 350 Millionen Euro? Lothar Klein, 07.11.2018 14:55 Uhr
Seit Monaten verhandelt die ABDA mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Rx-Versandhandelsverbot-Thema: Heute hat sich Friedemann Schmidt erstmals in die Karten schauen lassen. Bei der Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes wurde jetzt ein Maßnahmenpaket auf den Tisch gelegt. Details wurden noch nicht bekannt. Nach unbestätigten Informationen hat das BMG ein Angebot von rund 350 Millionen Euro in die Waagschale geworfen, über Zahlen wurde bei der ABDA allerdings heute nicht gesprochen. Auch eine Abstimmung fand nicht statt.
Von zehn Uhr morgens saßen die jeweils 17 Kammerpräsidenten und Verbandschef zusammen. Ein schriftliche Vorlage zur Vorbereitung des Treffens gab es nicht. Am Vormittag wurden die ABDA-Spitzen über ein Maßnahmenbündel in Kenntnis gesetzt. Eine Vorentscheidung ist noch nicht gefallen, eine Abstimmung gab es nicht. Die ABDA-Spitze wird zeitnah zu einem weiteren Termin im BMG anrücken und danach die Mitgliedsorganisationen informieren. Dann könnte der Plan B als Alternative zum Rx-Versandverbot konkretisiert werden, auf den es nun immer deutlicher hinausläuft.
Bereits zum Auftakt des Deutschen Apothekertages (DAT) hatte ABDA-Präsident Friedmann Schmidt Bewegung bei der Suche nach Alternativen zum Rx-Versandhandelsverbot angedeutet. Die ABDA werde sich aktiv mit Vorschlägen einbringen. Der kritische Punkt sei nicht der „Versandhandel per se“, sondern die durch das EuGH-Urteil geschaffenen Preisvorteile für ausländische Versandapotheken. Es müsse nach „Lösungen gleicher Wirkung“ gesucht werden, sagte Schmidt. Das zu schnürende Paket müsse zudem ordnungspolitisch kalkulierbar und juristisch wasserdicht sein. Die ABDA sehe im Rx-Versandhandelsverbot nach wie vor die beste Lösung. Es sei aber klar, „dass man Abstriche machen“ müsse. Zunächst sei die Politik jetzt in der Pflicht, Vorschläge zu unterbreiten. Aber auch die ABDA sei in der „Pflicht, aktiv Vorschläge zu machen“.
Diese liegen jetzt den Kammerpräsidenten und den Verbandchefs vor. Ziel der ABDA ist der Erhalt fester Arzneimittelpreise. Gefordert wird zudem eine „professionelle Weiterentwicklung“ der Apotheken. Die ABDA habe sich für die Diskussion von Alternativen zum Rx-Versandhandelsverbot selbst eine Frist bis zur nächsten Mitgliederversammlung am 5. Dezember gesetzt. Die heutige Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes dient der Vorbereitung.
Spekuliert wurde im Vorfeld darüber, dass die Apotheken die Möglichkeit zum Abschluss von Versorgungsverträgen mit den Krankenkassen erhalten sollen, wie es sie beispielsweise für die Betreuung von Schwangeren schon einmal gab. Das ist eine langjährige Forderung der ABDA. Im Gespräch sind auch Leistungsausweitungen wie das Impfen. Beinhalten könnte das Paket auch ein Honorar für die Beteiligung der Apotheken am elektronischen Medikationsplan. Spekuliert wird zudem über einen Strukturfonds für Apotheken, die für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung gebraucht werden.
Wieder aufleben könnte auch der SPD-Plan eines Boni-Deckels für ausländische Versender in Zusammenhang mit der Abschöpfung der noch verbleibenden Preisvorteile durch die Krankenkassen. Damit verlören die Patienten den finanziellen Anreiz zur Bestellung bei EU-Versandapotheken. Mit einem solchen Paket könnte die ABDA-Forderung nach „Maßnahmen gleicher Wirkung“ zumindest annäherungsweise erfüllt werden.
Seit dem DAT hat ABDA-Präsident Schmidt die Apothekerschaft auf schwierige Entscheidungen vorbereitet: „Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Wir kommen mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiter.“ Die Apotheker stünden vor einer gewaltigen Reform-Agenda. „Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf“, sagte Schmidt. Mit der „klassischen ABDA-Haltung, es soll so bleiben wie es ist, nur besser, werden wir nicht weiterkommen. Wir werden echte Veränderungen erleben, denen wir uns stellen müssen.“ Kurz darauf legte Schmidt in einem PZ-Interview nach: Spahn wolle kein Rx-Versandverbot und am Ende müssten die Apotheker „Kröten schlucken“. Klar sei, dass es anstelle des Rx-Versandhandelsverbots nur ein komplett geschnürtes Paket für das Gesetzgebungsverfahren sein könne.