In der Piratenpartei wird zunehmend auch über Gesundheitspolitik diskutiert. Gleich zwei Initiativen beschäftigen sich auf dem Meinungsbildungsportal „Liquid Feedback“ mit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV): Während die erste sich für freie Apothekenpreise einsetzt, wird in der zweiten das genaue Gegenteil gefordert. Letztere konnte sich durchsetzen und wird wahrscheinlich auf einem der kommenden Bundesparteitage beraten.
Im April brachte ein Parteimitglied, das explizit namentlich nicht genannt werden möchte, den Vorschlag ein, die AMPreisV aufzuheben. Begründung: Damit werde der Preiswettbewerb in „einer der profitabelsten Industriesparten“ eröffnet. Die Krankenkassen würden durch die Aufhebung entlastet. Die Apotheken würden motiviert, den Einkaufspreis selbst zu verhandeln, was zurzeit überhaupt nicht stattfinde, erläutert der gelernte Kaufmann.
Er argumentiert weiter, dass es zwar wahrscheinlich sei, dass dadurch einige Apotheken nicht überlebten. Eine Versorgung an jeder Ecke sei jedoch sehr teuer und in Zeiten des Internets und der Lieferservices nicht mehr nötig.
Auf die Idee für die Initiative kam das Piratenmitglied, nachdem ihm in seinem Geburtsort, Willich, sieben Apotheken aufgefallen waren. Er sei verwundert gewesen, dass sie alle überlebten: „Normale Geschäfte hätten in so einem kleinen Dorf schon längst schließen müssen.“
Daraufhin setzte er sich mit der AMPreisV auseinander. Er kam zu dem Schluss: Kaufmännische Grundsätze wie eine freie Preiskalkulation müssten auch für Apotheken gelten. „Warum sollte es Apotheken besser gehen, als anderen Geschäften?“
Seine Parteikollegen ließen diese Überlegungen weitgehend kalt: Die Initiative kam nicht auf das erforderliche Quorum von 10 Prozent. Dem Leipziger Piraten Thomas Herzog, dessen Mutter Apothekerin ist, gefiel der Vorschlag ebenfalls nicht. Deshalb startete er eine Gegeninitiative – auch um die erste Initiative, die zum damaligen Zeitpunkt noch lief, zu schwächen.
Herzog sprach sich dafür aus, die AMPreisV beizubehalten: Seiner Ansicht nach garantiert die Preisverordnung gewisse Gewinnmargen und damit die Versorgung durch die Apotheken. Ortsnähe sei wichtig. Vielen älteren Menschen seien Online-Angebote nicht bekannt oder sie misstrauten ihnen. Ein Wettbewerb unter den Apotheken sei ein Wettbewerb um die Gesundheit der Menschen. „Die Gesundheit darf keine Ware sein“, sagt er.
Als ein viel größeres Problem sieht der Softwareentwickler aber die „intransparenten und oft geheimen Rabattverträge“ der Krankenkassen. Für die Apotheken entstehe zum Beispiel die Gefahr von Retaxierungen, wenn ein Medikament abgegeben werde, das nicht dem Rabattvertrag entspreche. „Dann tragen die Apotheken das finanzielle Risiko“, so Herzog.
Zudem sei die gesundheitliche Sicherheit der Patienten gefährdet: Trotz massiver Aufklärung seitens der Apotheken gebe es regelmäßig Verwirrungen und im schlimmsten Fall Überdosierungen.
Über die Initiative von Herzog stimmten 715 Parteimitglieder ab, davon 70 Prozent dafür. Wahrscheinlich wird Herzog den Vorschlag auf einem der nächsten Parteitage einbringen. Zunächst müsse aber erst einmal über das grundsätzliche Gesundheitsprogramm der Partei entschieden werden, was auf dem Parteitag im November passieren solle.
„Liquid Feedback“ ist ein Meinungsbildungsportal der Piratenpartei. Jedes Mitglied kann Initiativen vorschlagen, über die abgestimmt wird. Anhand der Abstimmungsergebnisse sieht der Initiator, wie eine Idee ankommt. Auf dem Parteitag können die Initiative vorgeschlagen werden, müssen aber nicht.
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