Pilsinger: PrEP-Engpass ist Skandal Nadine Tröbitscher, 10.02.2024 08:30 Uhr
Für die Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil wurde vor knapp einer Woche ein Versorgungsmangel festgestellt. Dass die Arzneimittel, die auch zur HIV-Präexpositionsprophylaxe eingesetzt werden, knapp sind und Therapien sogar ausgesetzt werden müssen, ist bereits seit Ende letzten Jahres bekannt. Doch wie soll es weitergehen? Eine langfristige Lösung muss her. Welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung umsetzen, um diese Lieferengpässe dauerhaft zu beseitigen, wollte Stephan Pilsinger (CDU/CSU) wissen.
Pilsinger hat eine parlamentarische Einzelfrage zu den Lieferengpässen der als PrEP eingesetzten Wirkstoffkombination an die Bundesregierung gestellt. Der Abgeordnete wollte wissen: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über – wie in den Medien berichtet wird – Lieferengpässe der HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) […] und welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung umsetzen, um diese Lieferengpässe dauerhaft zu beseitigen?
Dem Bundesgesundheitsministerium sind derzeit Lieferengpässe der Wirkstoffkombination von vier Herstellern gemeldet – diese haben einen Marktanteil von rund 70 Prozent und decken den Großteil der Versorgung. Für die angespannte Liefersituation gibt es laut BMG verschiedene Gründe. Zum einen sind die Engpässe auf Probleme und Verzögerungen bei der Herstellung sowie einer erhöhten Nachfrage aufgrund der Nicht-Verfügbarkeit von Präparaten anderer Hersteller begründet. Zum anderen ist der Markrückzug von zwei Herstellern eine Ursache.
„Dass es so weit kommen kann, dass lebensnotwendige Medikamente für HIV-Patienten in Deutschland kaum noch erhältlich sind, ist ein Skandal“, so Pilsinger.
Lage entspannt sich ab März
Doch das BMG gibt Entwarnung – die Situation werde sich voraussichtlich spätestens Anfang März entspannen. Schon jetzt konnten zwei Hersteller „größere Warenkontingente zur Verfügung stellen, sodass sich die Versorgungssituation kurzfristig bessern wird.“
Zudem habe das BMG einen Versorgungsmangel festgestellt. Mit der Bekanntmachung können die zuständigen Behörden der Länder nach Maßgabe des § 79 Absatz 5 und 6 AMG im Einzelfall ein befristetes Abweichen von den Vorgaben des AMG gestatten. Genau bedeutet dies, dass beispielsweise Import-Arzneimittel in Verkehr gebracht werden dürfen, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Apotheken sollen sich bei Fragen an die zuständige Behörde wenden.
Empfehlung: Kassen sollen Mehrkosten tragen
Außerdem hat das BMG den GKV-Spitzenverband um eine Empfehlung an die Krankenkassen gebeten. Diese sollen Mehrkosten auch bei der Abgabe von Importen übernehmen, wenn keine preisgünstigere reguläre Ware verfügbar ist. Der GKV habe dem BMG mitgeteilt, den Kassen entsprechende Empfehlungen zu geben.
Zum Hintergrund: Mehrkosten werden fällig, wenn der Verkaufspreis eines Arzneimittels den Festbetrag übersteigt. In der Regel zahlen die Versicherten die Differenz aus eigener Tasche – auch wenn eine Zuzahlungsbefreiung vorliegt. In Ausnahmefällen springen die Kassen ein. Um einen Ausnahmefall handelt es sich beispielsweise, wenn ein Rabattarzneimittel nicht lieferbar ist. Grundlage ist hier das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG). Die Vorgaben des GKV-FKG wurden in § 11 Absatz 3 Rahmenvertrag umgesetzt. „Ist bei einer Abgabe nach Absatz 2 kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse […] die Mehrkosten.“ Liegt kein Rabattvertrag vor, müssen Versicherte die Mehrkosten tragen.
Langfristige Maßnahmen
Doch eine langfristige Lösung zur Bekämpfung der Lieferengpässe ist die Empfehlung nicht. Darum stehe das BMG gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im engen Austausch mit den beteiligten Herstellern, Verbänden und Organisationen sowie dem Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen, um den Engpass engmaschig bewerten zu können und geeignete Maßnahmen zur Abmilderung des Versorgungsmangels abzustimmen. Welche Maßnahmen das sind, lässt das BMG offen.
„Die Bundesregierung muss endlich daran gehen, die pharmafeindliche Überregulierung in Deutschland abzubauen. Wir brauchen uns bei diesen Auflagen, die den Unternehmen die Luft zum Atmen nehmen, nicht wundern, wenn die ins Ausland gehen“, mahnt Pilsinger.