SPD zu „Pille danach“: Nein heißt Ja APOTHEKE ADHOC, 14.01.2015 13:38 Uhr
Politik ist manchmal ein Spiel: Seit Jahren fordert die Opposition die Entlassung der „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht. Entsprechende Gesetzesanträge versauerten zuletzt im Gesundheitsausschuss des Bundestags, weil sich die Große Koalition bei dem Thema nicht einig war – formal hatte die SPD noch Beratungsbedarf. Nach der Entscheidung der EU-Kommission zum OTC-Switch von EllaOne (Ulipristal) will die Regierung die „Pille danach“ jetzt schnellstmöglich aus der Rezeptpflicht entlassen. Die entsprechenden Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wurden heute im Ausschuss dennoch abgelehnt.
Vier Anträge zur „Pille danach“ lagen seit Monaten zur Abstimmung im Ausschuss. Weil die Koalitionäre die Opposition immer wieder vertröstet hatten, wollte Die Linke das Thema ins Plenum des Bundestags holen. Dann hätte der Berichterstatter der SPD erklären müssen, woran es in der Beratung hakt. Der Antrag sollte morgen um 19:10 Uhr besprochen werden.
Dies ist jetzt hinfällig, da am Vormittag alle Anträge zur „Pille danach“ mit den Stimmen von Union und SPD im Ausschuss abgelehnt wurden. Die Begründung lautete Teilnehmern zufolge sinngemäß, man habe die Zeit der Beratung gut genutzt, die Koalitionäre vertrauten jetzt auf Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Da dieser sich der Sache angenommen habe, bedürfe es keiner weiteren Aufforderung an das Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Linke und Grüne könnten ihre Anträge morgen allerdings in zweiter Lesung im Plenum beraten lassen. In diesem Fall müssten sich die Regierungsfraktionen inhaltlich positionieren. Vermutlich soll dies aber nun zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, sollte Gröhe die Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) nicht wie angekündigt zeitnah umsetzen. Alternativ könnte morgen – wie ursprünglich geplant – die elektronische Gesundheitskarte (eGK) im Plenum besprochen werden, heißt es bei der Linken.
Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft bei den Grünen, kommentierte das Vorgehen der Koalition so: „Nach zehn Jahren Blockade durch die Union setzt sich das Trauerspiel fort. Es ist skurril, dass die große Koalition nach monatelanger Verzögerungstaktik die Entlassung aus der Verschreibungspflicht für die „Pille danach“ ablehnt, obwohl Gesundheitsminister Gröhe eine Freigabe angekündigt hat.“
Auch die Dialektik der SPD sei fragwürdig, so Schulz-Asche. „Erst hatte sie unendlichen Beratungsbedarf und nun lässt sie konkrete Maßnahmen vermissen. Wir fordern einen direkten und schnellen Zugang zur Notfallverhütung sowie gute Informationen über die Vor- und Nachteile beider Medikamente, um Frauen eine selbstbestimmte Entscheidung, welche Pille sie nehmen, zu ermöglichen.“ Es gehöre endlich ein fester Zeitplan auf den Tisch, wie die EU-Entscheidung schnellstmöglich umgesetzt werde.
Die Anträge hatten unter anderem die sofortige Entlassung des Wirkstoffs Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht vorgesehen. Eine entsprechende Entschließung des Bundesrates aus dem Mai 2014 sollte von der Regierung umgesetzt werden. Gröhe hat nach dem Signal aus Brüssel angekündigt, für Levonorgestrel und Ulipristal schnell eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen.
Nach wie ungeklärt ist die Frage, ob EllaOne als Präparat nach der Veröffentlichung der Kommissionsentscheidung ab sofort rezeptfrei erhältlich ist oder erste eine Anpassung der AMVV abgewartet werden muss. Das BMG hält sich hierzu bedeckt.
Die „Pille danach“ soll auch nach dem OTC-Switch für Frauen unter 20 Jahren kostenlos sein. Das BMG kündigte bereits in der vergangenen Woche an, man prüfe, wie dies möglich gemacht werden könne. Man sei „an einer unbürokratischen Regelung interessiert“, sagte eine Sprecherin.
Der GKV-Spitzenverband erklärte zur Frage der Erstattung: „Wenn die Verschreibungspflicht der 'Pille danach' wegfällt, ist diese nach § 34 Abs. 1 SGB V von der GKV-Versorgung ausgeschlossen. Wie rechtlich umgesetzt wird, dass dieses dann rezeptfreie Arzneimittel für Frauen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr dennoch von der Leistungspflicht der GKV erfasst wird – und dies möglichst in Form des Sachleistungsprinzips, damit die betroffenen Frauen nicht zunächst in Vorkasse gehen müssen – muss der Gesetzgeber regeln.“
Ausnahmen bei der Erstattung gibt es laut GKV-Spitzenverband schon heute: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) könne dies für Arzneimittel festlegen, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Diese Arzneimittel der sogenannten OTC-Ausnahmeliste werden nach Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). „Eine Aufnahme der 'Pille danach' in die OTC-Liste schließt sich aber aus, da es sich hierbei ja nicht um ein Mittel zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten handelt“, so der GKV-Sprecher.
Die Grünen hatten in ihrem Antrag aus dem Februar 2014 schon eine Frage angesprochen, die im Zusammenhang mit der geplanten Freigabe aktuell diskutiert wird: Darf die „Pille danach“ als Notfallpräparat überhaupt im Versandhandel verkauft werden. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sowie zuletzt die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg hatten sich für ein Versandverbot ausgesprochen.
Der Antrag der Grünen hätte die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Demnach sollte die Bundesregierung dafür sorgen, „dass sowohl im Internet als auch für die Beratung in der Apotheke eine Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt wird, die es Frauen (mit oder ohne unterstützende Beratung) ermöglicht, eine informierte selbstbestimmte Entscheidung zu treffen“.