Die Debatte um die Entlassung der Pille danach aus der Rezeptpflicht hat sich zuletzt etwas gegen die Apotheker gedreht. Sie drohen ausgerechnet bei diesem Spezialthema zwischen die Fronten zu geraten, während sie sich mit dem Leitbild eigentlich für neue Aufgaben empfehlen wollen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist gegen einen OTC-Switch und Ärztepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery glaubt nicht an eine ausreichende Beratung in der Apotheke. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hält dagegen: Die Abgabe in der Apotheke sei sicher und eine weitgehende Aufklärungsarbeit könnten auch die Ärzte im Notdienst nicht leisten.
Jedem sei klar, dass die Interessen der Apotheker und Ärzte in dieser Frage auseinander gingen, so Schmidt. Die Apotheker sollten sich aus seiner Sicht aber nicht in eine gesellschaftspolitische Debatte hineinziehen lassen. „Wir sollten uns in der Frage der Verschreibungspflicht immer am Produkt orientieren.“ Das Risikoprofil der Pille danach sei viel geringer als das anderer OTC-Arzneimittel. „Das Problem liegt nicht beim Arzneimittel, da sind sich alle einig“, so Schmidt.
Für Schmidt geht es im Kern darum, was die Politik erwartet: „Wenn es um eine sichere Anwendung des Arzneimittels und die Verhinderung von Missbrauch geht, dann ist das in der Apotheke möglich. Eine in die Zukunft gerichtete Beratung zum Sexualverhalten ist im Nacht- und Notdienst nicht zu leisten. Ich wage aber auch zu bezweifeln, dass das im ärztlichen Notdienst möglich ist“, sagt Schmidt.
„Der Notdienst ist immer ein Kompromiss zwischen dem, was im Idealfall möglich, und dem, was für das System wirtschaftlich vertretbar ist“, so Schmidt. Natürlich sei im Notdienst nicht das gleiche Maß an Diskretion und Intensität einer Beratung möglich wie in einem Sprechzimmer beim Arzt. In einer Notfallambulanz zwischen Verletzten und schreienden Kindern sei eine ausführliche und diskrete Beratung aber vermutlich auch nicht zu erwarten, so Schmidt.
Die Experten im Sachverständigenausschuss wüssten um die besondere Situation bei der Abgabe im Notdienst und hätten in ihrer Empfehlung trotzdem keine weiteren Auflagen vorgesehen. „Wir geben die Pille danach heute im Notdienst auch an der Klappe ab. Dabei sind wir zur Prüfung der Verordnung verpflichtet und beraten die Patientin zur Anwendung des Arzneimittels. Daran würde sich nichts ändern“, so Schmidt.
Trotzdem würde sich der ABDA-Präsident Einschränkungen beim Vertrieb wünschen: „Das Arzneimittel ist für den Versandhandel nicht geeignet.“ Sollte sich der Gesetzgeber für die Apothekenpflicht entscheiden, müsse eine persönliche Beratung in der Apotheke gewährleistet sein, so Schmidt. Demnach müsse als Voraussetzung für die Abgabe erfüllt sein, dass die Patientin persönlich in der Apotheke erscheint.
Die Gefahr, dass Frauen die Pille danach auf Vorrat kaufen könnten, sieht Schmidt nicht: „So viel Verantwortungsgefühl hat jede Frau, dass sie das Arzneimittel nicht als Ersatz für eine Verhütungsmethode verwendet“, ist Schmidt überzeugt.
Die Debatte sieht Schmidt nicht als beendet an. Es sei gut zu wissen, wie Minister Gröhe persönlich über das Thema denke. Seine Bedenken beträfen aber weniger das Arzneimittel als die Patientengruppe, die er offenbar für besonders verletzlich halte.
Eine Einschätzung, die Schmidt aus seiner praktischen Erfahrung nicht teilen kann: „Natürlich sind die Frauen in einer Stresssituation, aber nicht vollkommen hilflos. Auch junge Mädchen wissen, was passiert ist, deswegen kommen sie.“ Einen niedrigschwelligen Zugang zu dem Arzneimittel und schnelle Hilfe könnten die Apotheker leisten.
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