Stillstand bei Health Claims

Phytopräparate: DiFabio kritisiert EU-Kommission

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Berlin -

Mit Vertragsverletzungsverfahren ist die EU-Kommission schnell, insbesondere wenn es um die Interessen von Lobbygruppen geht. Was die eigene Arbeit angeht, zeigt Brüssel mitunter „Sitzfleisch“. So verzweifeln die Phytohersteller an der Untätigkeit der Behörde in Sachen Health Claims. Ein neues Gutachten soll Druck machen.

Seit 2007 gilt die EU-Verordnung zu Health Claims, mehr als 200 gesundheitsbezogene Aussagen wurden bereits zugelassen. Angaben zu pflanzlichen Inhaltsstoffen wurden bislang jedoch ausgespart. Rund 2000 Claims werden daher derzeit von den Herstellern verwendet, ohne dass deren Stichhaltigkeit bewiesen wäre. Die EU-Kommission hatte den Prozess im September 2010 überraschend gestoppt und trotz mehrfacher Aufforderung aus den Mitgliedstaaten nicht wieder aufgenommen.

Offenbar geht es darum, die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln zu schützen. Eine Untätigkeitsklage von Bionorica und Diapharm wurde vor vier Jahren mangels Klagebefugnis vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgewiesen. Vor einem Jahr forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, in Brüssel diesbezüglich Druck zu machen.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und deder europäische Pharmaverband Eucope haben jetzt ein Rechtsgutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Professor Dr. Udo Di Fabio vorgelegt. Demnach steht Brüssel in der Pflicht, nun endlich den Auftrag zur Bewertung der Health Claims zu Botanicals an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu erteilen.

Nachteil für Phytohersteller

„Der aktuelle Stillstand steht im Widerspruch zum Zweck der Health-Claims-Verordnung, der darauf abzielt, die Verbraucher über die möglichen Auswirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären“, heißt es im Gutachten. „Die Untätigkeit der Kommission verletzt auch das Recht auf Gleichbehandlung der Hersteller chemischer Substanzen, deren Health Claims bereits bewertet wurden und der Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Solange die Lebensmittelhersteller aufgrund der unbefristeten Anwendung der Übergangsbestimmung praktisch von der Pflicht befreit sind, sich den Wirksamkeitsnachweis von der EFSA bestätigen zu lassen, verschaffen sie sich einen klaren Vorteil gegenüber den Unternehmen, die den Stoff als Arzneimittel auf den Markt bringen. Lebensmittel und Arzneimittel sind weder sachlich noch rechtlich vergleichbar.“

BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen: „Das von uns beauftragte Gutachten zeigt, dass die offensichtliche Passivität der EU-Kommission rechtswidrig ist und gegen die Vorgaben der Verordnung verstößt. Dadurch werden nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher getäuscht. Die Kommission läuft auch Gefahr, schuldhaft den Niedergang einer ganzen Teilbranche, nämlich der pflanzlichen Arzneimittelhersteller, mitzuverantworten.“

Verbraucher im Unklaren

Dr. Alexander Natz, Generalsekretär von Eucope, ergänzt: „Der derzeitige Stillstand widerspricht dem eigentlichen Ziel der Health-Claims-Verordnung in Form des Verbraucherschutzes in eklatanter Art und Weise. Aktuell wird der Verbraucher völlig im Unklaren darüber gelassen, ob die konkrete gesundheitsbezogene Angabe wissenschaftlich fundiert ist oder nicht. Das Gutachten ist insofern eindeutig: Wenn es nicht möglich ist, eine bestimmte Angabe wissenschaftlich zu untermauern, darf diese Angabe gegenüber dem Verbraucher nicht verwendet werden.“

Laut BPI gelangen nach wie vor Produkte auf den Markt, deren gesundheitsbezogene Angaben nicht wissenschaftlich belegt sind. Darüber hinaus seien sie in ihrer Aufmachung – Packung, Aussagen, Inhaltsstoffe, Darreichungsform – Arzneimitteln sehr ähnlich. Verwechslung und Täuschung des Verbrauchers seien somit vorprogrammiert.

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