Mit den pharmazeutischen Dienstleistungen wird sich die Versorgungsqualität verschlechtern, fürchtet Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Viele chronisch kranke Patientinnen und Patienten könnten in ihren Apotheken Dienstleistungen auf Kosten der Krankenkassen erhalten, die eigentlich der Ärzteschaft vorbehalten sein sollten: „Apotheker sind keine Hausärzte light.“
Konkret würden zahlreiche ärztliche Kompetenzbereiche tangiert, so Miller. „Die Apotheker sollen demnach (haus-)ärztliche Leistungen erbringen – und das, obwohl nur Ärztinnen und Ärzte über eine qualifizierte Heilkundeerlaubnis verfügen. Ihre Approbation erlaubt es, den Arztberuf selbständig und eigenverantwortlich auszuüben, also beispielsweise die Krankengeschichte zu erheben, sowie Untersuchung, Diagnose und Therapie durchzuführen.“ Aus gutem Grund habe der Gesetzgeber die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde bislang an ärztlichen Sachverstand gekoppelt.
Dass unter anderem Organtransplantierte, Krebskranke, Asthmatiker oder Menschen mit hohem Blutdruck in Apotheken beraten werden sollen, ist laut Miller ein Aufweichen dieser klaren Grenze mit negativen Folgen: „Was macht der Apotheker, wenn der chronisch Kranke Herzbeschwerden hat, wenn ihm schwindelig ist oder wenn er Atemnot hat? Wie will er das abklären? Woher bekommt er ein Rezept für ein eventuell benötigtes Medikament? Überweist der Apotheker dann zum Arzt?“
Er beruft sich auf die bewährte und klare Aufgabenverteilung zwischen Ärzte- und Apothekerschaft. Die vermeintliche ‚Stärkung der vor Ort-Apotheken‘ gefährde die qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten: „Die baden-württembergische Ärzteschaft lehnt daher die Beratung gerade von chronisch Kranken in Apotheken grundsätzlich ab.“
Erst gestern hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das neue Angebot der Apotheken als „inhaltlich fragwürdig und teuer“ abgelehnt. „Offenbar scheinen die Krankenkassen über genügend finanzielle Mittel zu verfügen. Da wäre es nur folgerichtig, die letztlich fundiertere ärztlich-medizinische Betreuung mindestens auf das den Apotheken zugestandene finanzielle Niveau anzuheben. Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erbringen die gleichen Leistungen, trotz der besseren fachlichen Qualifikation, derzeit zu einem deutlich geringeren Satz. Das kann nicht sein“, so KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.
Laut einer KBV-Sprecherin können die Praxen solche Leistungen derzeit gar nicht abrechnen; sie werden mit der Versichertenpauschale abgedeckt. Pro Quartal können je nach Alter der Patientin oder des Patienten zwischen 12 und 16 Euro abgerechnet werden – unabhängig vom tatsächlichen Beratungsaufwand.
KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister legt nach: „Das ist ein fundamentaler Angriff auf die hausärztliche Versorgung, der angesichts der Versprechungen der Politik, die hausärztliche Versorgung stärken zu wollen, fast schon zynisch anmutet. Nur die Ärztinnen und Ärzte weisen eine qualifizierte Heilkundeerlaubnis auf, die unter anderem die Anamnese, Untersuchung, Diagnostik und Differenzialdiagnosen sowie Pharmakotherapie umfasst. Die Apotheker haben dieses Wissen nun einmal nicht.“
Mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) war ein jährlicher Gesamtbetrag von rund 150 Millionen Euro für pharmazeutische Dienstleistungen zur Verfügung gestellt worden. 20 Cent pro Packung fließen seit 15. Dezember zusätzlich. Da aber bislang keine Leistungen erbracht wurden, musste das Geld geparkt werden.
Per Schiedsspruch wurde jetzt ein Katalog von Services verabschiedet, den die Apotheken gesondert abrechnen können. Verschiedene Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote der Apotheke, die pharmazeutischen Dienstleistungen sind für fünf Gruppen definiert.
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