Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) fühlt sich von der Bundesregierung übergangen: Seinen Forderungen nach einer temporären Änderung der Approbationsordnung als Antwort auf die Coronakrise seien nicht gehört worden. Das sei unverständlich – denn die jetzigen Schwierigkeiten an den Universitäten werden unter den aktuellen Bedingungen zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels und damit einer Gefahr für die Arzneimittelversorgung führen. Die Studierenden geben der Politik aber auch weitere Ratschläge mit auf den Weg: Apotheken sollen künftig nicht nur gegen Grippe, sondern auch gegen Covid-19 impfen.
Der BPhD sieht die ausreichende Verfügbarkeit pharmazeutischer Nachwuchskräfte weiter in Gefahr: Sowohl an den Unis als auch in der Famulatur und dem Praktischen Jahr (PJ) kommt es derzeit zu massiven Einschränkungen. Arbeitet ein Student oder Pharmazeut im Praktikum (PhiP) beispielsweise in einer Apotheke mit Schichtbetrieb, kommt er nicht auf die Arbeitsstunden, die er nachweisen muss, um zum Staatsexamen zugelassen zu werden. Die Folge: Schlimmstenfalls könnten dieses Jahr tausende Studenten ihre Prüfungen nicht ablegen und müssten länger studieren.
Der BPhD forderte deshalb Anfang April von der Bundesregierung eine „Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite“. Demnach sollen PhiP auch zum Staatsexamen zugelassen werden, wenn sie nicht auf die vorgeschriebenen Stunden kommen: Um bis zu 50 Prozent solle die Zahl der absolvierten Stunden von den bisherigen Vorgaben abweichen können. Fehlzeiten, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie stehen, sollen demnach nicht als Fehlzeiten im Sinne der AAppO angerechnet werden. Ähnlich sehe es bei den Famulaturen aus: Um zu gewährleisten, dass Studierende keine Nachteile zu befürchten haben, weil ihre Famulatur wegen der Pandemie abgebrochen wurde, empfiehlt der BPhD, dass auch abgebrochene Famulaturen als ein vollständiger Teil der gesamten Famulaturzeit anerkannt werden. Auch der Praktikumsbegleitende Unterricht (PBU) komme vielerorts zu kurz, weshalb auch dort größere Abweichungen erlaubt werden sollen.
Zur Politik konnten die Studenten mit diesen Ratschlägen allerdings nicht durchdringen. „Die Nichtbeachtung des Pharmaziestudiums in den Ausführungen ist für uns unverständlich“, kritisiert der BPhD in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite. Hier waren nur Ausnahmen für Zahnmediziner sowie Ausbildungsberufe wie PTA aufgenommen worden. „Eine solche temporäre Änderung der AAppO ist aus unserer Sicht zwingend notwendig.“
Ergeben sich durch die epidemische Lage nationaler Tragweite Verzögerungen im Lehr- und Prüfungsbetrieb, so stelle dies „unmittelbar auch eine Gefährdung für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und qualifizierter pharmazeutischer Beratung dar“, so der Studierendenverband. Das werde den Fachkräftemangel befeuern. „Es besteht akut die Gefahr, dass sich dieser durch Verzögerungen im Studium und den Abschnitten der Pharmazeutischen Ausbildung und Prüfung erheblich verschlechtern wird“, warnt der BPhD. In einer Sonderstellungnahme hatte der Verband deshalb gleich einen passenden Entwurf für eine Änderung der AAppO mitgeliefert. „Dennoch finden die von uns angebrachten Vorschläge zur Sicherstellung der pharmazeutischen Versorgung der Bevölkerung durch eine kontinuierliche Ausbildung qualifizierten Personals in diesem neuen Gesetzesentwurf keine Beachtung.“
Um mögliche Risiken so früh wie möglich abwenden zu können, fordere der BPhD daher mit Nachdruck eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes und eine temporäre Änderung der AAppO im Sinne seiner Vorschläge. Gleichzeitig schlagen die Studenten vor, im Kampf gegen die Pandemie auch die Kompetenzen der Apotheken auszuweiten: Denn die Durchimpfung der Bevölkerung, sobald ein Covid-19-Impfstoff verfügbar ist, wird eine Aufgabe von nationaler Dimension. Hier sollen die Apotheken mit anpacken. „Der BPhD empfiehlt, dass die entsprechenden Regelungen des § 132j SGB V so angepasst werden, dass auch Impfungen oder Immunisierungsdokumentationen, die im Zusammenhang mit COVID-19 stehen, in diesen Apotheken durchgeführt werden können.“
Die Apotheker würden qua ihres Studiums und eventueller ärztlicher Fortbildungen in dem Bereich das nötige Fachwissen mitbringen. Dabei biete es sich auch an, ach die Nutzung von elektronischen Patientenakten (ePa) zu erproben und deren Einführung gegebenenfalls vorzuziehen. „Dies erleichtert das Verfahren nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die impfenden Ärztinnen und Ärzte beziehungsweise Apothekerinnen und Apotheker und kann ein zusätzliches Instrument bei der Kontrolle der Durchimpfungs- und Immunisierungsquoten darstellen.“ Besonders durch ihre Stellung als erster Ansprechpartner in Gesundheitsfragen können die Apotheken demnach einen großen Beitrag dazu leisten, Daten über die Immunisierung der Bevölkerung zu erheben, und, sofern ein Impfstoff vorliegt, die Immunisierung der Bevölkerung durch eine qualifizierte Impfaufklärung,-beratung und Durchführung vorantreiben. „Diese Stärke der Apotheken vor Ort sollte unbedingt genutzt werden“, so der BPhD.
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