Um 10.15 Uhr stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am vergangenen Freitag den GSAV-Referentenentwurf der Presse vor. Zeitgleich trafen die Mitglieder der Neuauflage des Pharmadialogs im Bundesgesundheitsministerium ein. Die Dualität der Ereignisse hatte sich herumgesprochen. Entsprechend verärgert startete der Dialog zwischen den Pharmadialogpartnern. Um der Verstimmung die Spitze zu nehmen, versprach BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe eine Extra-Sitzung zur AMG-Novelle.
Am 15. September 2014 startete der erste Pharmadialog als großes politische Kino. Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) empfing die Teilnehmer aus Industrie, Wissenschaft und Politik standesgemäß persönlich im BMG. In der Auftaktsitzung betonte Gröhe höflich die Bedeutung der Branche für die Versorgung von Patienten aber auch für die Wertschöpfung am Wirtschaftsstandort Deutschland. Er äußerte die Hoffnung, dass der Pharmadialog auch zu einer höheren Akzeptanz der Pharmaindustrie und ihrer Innovationen beitragen könne. Dieses Mal überließ Spahn die Zeremonie seinem beamteten Staatssekretär – eine Frage der Etikette.
Zu Unmut auf den Seiten der Pharmaverbände führte die Tatsache, dass der Minister zeitgleich mit dem Beginn der Dialogrunde Pressevertretern den Referentenentwurf eines Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vorstellte, von dem die betroffene Industrie bisher „nur vom Hören-Sagen informell Kenntnis hatte“, heißt es auf Seiten der Verbände. Während der Sitzung wurde die Irritation der Industrie über dieses Vorgehen des Ministeriums deutlich zum Ausdruck gebracht. Am Ende der Dialogrunde stellte Staatssekretär Stroppe daraufhin eine Sondersitzung des Pharmadialogs zu dem Gesetzentwurf noch vor der Kabinettseinbringung in Aussicht. Es ist nicht das erste Mal, dass Spahn mit seinem Vorgehen für Verärgerung sorgt, wenn auch mit anderen Vorzeichen: Vom neuen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erfuhren die Gesundheitspolitiker der Koalitionsfraktionen zunächst ebenfalls aus der Presse.
Im Mittelpunkt des ersten Treffens stand die Digitalisierung. Von Seiten der Industrie wurde an verschiedenen Beispielen vorgebracht, dass es beim Thema Digitalisierung mehr Tempo und mehr Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Beteiligten geben müsse. Digitalisierung sei eine große Chance für eine bessere Forschung und Versorgung. Diese Chance könne aber nur genutzt werden, wenn Daten aus Grundlagenforschung, klinischer Forschung, Entwicklung, Krankenhaus- und ambulanter Versorgung und aus digitalen Anwendungen sinnvoll miteinander verknüpft und genutzt werden könnten.
Zu neuen Trends in der Forschung, Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln etwa in der personalisierten Medizin und neuartigen Therapieverfahren gab es große Einigkeit zwischen Industrievertretern, Zulassungsbehörden und der Wissenschaft. Einhellig wurde festgestellt, dass das Zusammenlaufen von IT-getriebenen Methoden und neuen biologischen Erkenntnissen zu Sprung-Innovationen führen, die einen kompletten Paradigmenwechsel zur Folge haben werden. An die Politik wurde, anhand vieler anschaulicher Beispiele mit Nachdruck appelliert, dass die Regulierung in der Selbstverwaltung und aus der Sozialgesetzgebung so angepasst werden müsse, dass diese Entwicklungen sich am Standort Deutschland entfalten und zum Vorteil der Patienten in der Versorgung wirksam werden könnten.
Die Beteiligten sahen zudem große Chancen für die Zukunft des Produktionsstandortes Deutschland. Gerade im Bereich komplexer Produktionsprozesse, die in Zukunft eine immer größere Rolle spielen würden, sei Potenzial vorhanden. Auch zum Thema Liefersicherheit böte der Produktionsstandort Europa Chancen. Das setze aber voraus, dass die Kassen auf einen ruinösen Preiswettbewerb verzichteten. Die Themen werden in Arbeitsgruppe weiter diskutiert. Es wurde verabredet, zwei hochrangige Dialogrunden im Jahr durchzuführen.
Der Pharmadialog der Bundesregierung besteht seit 2014. Neu in dieser Legislaturperiode ist die Teilnahme der Regierungsfraktionen und der Bundesländer. Für die Regierungsfraktionen sind die Abgeordneten Martina Stamm-Fibich und Sabine Dittmar (jeweils SPD), Michael Hennrich (CDU) und Stephan Pilsinger (CSU) beteiligt. Die Bundesländer werden von den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz vertreten. Die Industrie ist weiterhin durch die Verbände BAH, BPI, vfa, BIO Deutschland und Pro Generika vertreten. Auf Seiten der Wissenschaft nehmen die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft und der Medizinische Fakultätentag am Dialog teil. Die Präsidenten der Zulassungsbehörden BfArM und PEI sind ebenfalls vertreten. Für die Bundesregierung moderieren die Staatssekretäre Stroppe (BMG), Christian Luft, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Abteilungsleiter Winfried Horstmann (Bundeswirtschaftsministerium) die Dialogrunden. Das Bundeskanzleramt ist als Gast anwesend.
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