Pharmalobby

BAH: Digitalisierung, Medizinprodukte, TTIP

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Barcelona -

Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP macht Apothekern und Ärzten Sorgen. Die Hersteller hoffen dagegen auf bessere Geschäfte. Beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und seinem europäischen Dachverband AESGP setzt man darauf, dass der Marktzugang erleichtert wird. Sorgenkind sind dagegen die Medizinprodukte: Während die Digitalisierung die Branche überrollt, sorgt die EU aus Sicht der Unternehmen mit einer unausgegorenen Verordnung für Probleme.

Bei TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) geht es für die Hersteller vor allem um Erleichterungen ihres bürokratischen Aufwandes. Wenn Inspektionen von Produktionsstätten gegenseitig anerkannt würden, könnten Kosten gesenkt werden, so das Argument, das BAH und AESGP bereits 2012 zu Papier gebracht hatten. Zwar gebe es eine entsprechende Absichtserklärung bereits seit 2005, diese werde aber vor allem von amerikanischer Seite bislang ignoriert.

Für die Hersteller geht es um einen Markt von elf Milliarden US-Dollar – errechnet aus dem Anteil von 15 Prozent, den die USA an allen Pharmaexporten ausmachen. Außerdem hofft der BAH, dass Anreize in Sachen OTC-Switch aus den USA nach Europa übernommen werden: Während es hierzulande bei entsprechenden Studien nur ein Jahr Marktexklusivität gibt, haben Unternehmen in den USA einen dreijährigen Unterlagenschutz.

Die Angst der Heilberufler und Kassen vor TTIP ist laut BAH nicht berechtigt: Die Zuständigkeit für die Gesundheitsversorgung liege schon innerhalb Europas klar bei den Mitgliedstaaten; daran werde sich auch nichts ändern, wie die EU-Kommission in ihren Verlautbarungen zu den Verhandlungen bereits bekräftigt habe. Ohnehin wundern sich die Hersteller über die teilweise unsachlich geführte Debatte, die TTIP in der Öffentlichkeit ausgelöst hat: Freihandelsabkommen und Schiedsgerichte gebe es seit Jahrzehnten, jeweils 120 Vereinbarungen hätten Deutschland und die EU bereits mit anderen Ländern und Wirtschaftsräumen geschlossen.

Wenig Licht sehen die Hersteller dagegen bei der EU-Medizinprodukteverordnung, die seit der ersten Lesung vor einem Jahr im Parlament derzeit im Ministerrat für Aufregung sorgt. Die Kommission hatte das Gesetzgebungsverfahren bereits 2013 nach dem PiP-Skandal angestoßen, um diese Produktgruppe sicherer zu machen. „Stoffliche Medizinprodukte“, also Zubereitungen, die oral, rektal oder vaginal appliziert werden und sich im Körper verteilen, ohne resorbiert zu werden, haben laut BAH aber nichts mit Produkten wie Herzschrittmachern oder Implantaten gemein.

Genaugenommen seien Artikel wie Meersalz-Nasensprays oder Hyaluronsäure-haltige Lutschpastillen in den 1990er Jahren gerade deswegen aus dem Arzneimittelbereich entlassen worden, weil sie gemeinhin als sicher gelten. Doch auf europäischer Ebene soll es nach derzeitigem Stand keine Differenzierung geben, insbesondere weil laut BAH Mitgliedstaaten ohne eine entsprechende Industrie die Bedenken der Hersteller nicht verstehen können.

Wie aber sollen für Medizinprodukte Wirksamkeitsnachweise erbracht werden, fragt der BAH. Laut Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser ist der Markt mittlerweile rund eine Milliarde Euro schwer – und damit genauso groß wie der Bereich der Phytopharmaka. „Wir sehen die Gefahr, dass Unternehmen Produkte vom Markt nehmen und ihre Pipeline abschreiben müssen – ohne irgendeinen Mehrwert für die Patientensicherheit.“

Noch ist laut BAH der Ausgang des Verfahren nicht vorherzusagen. Auch die Großhändler hatten bereits massive Bedenken angemeldet, sollen sie doch nach dem früheren Entwurf verpflichtet werden, jede Packung zu öffnen, um Konformitätserklärung und Beipackzettel zu kontrollieren.

Erschwerend kommt aus Sicht des BAH hinzu, dass die geplante Verordnung den Herstellern keine Orientierung in Sachen Gesundheits-Apps gibt. Obwohl sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) klar positioniert habe, sei die Grenze zwischen „einfacher App“ und Medizinprodukt nach wie vor schwierig zu ziehen. Grundsätzlich gelte die Regel: Angebote zur rein administrativen Unterstützung seien anders zu bewerten als Produkte, die echte Gesundheitsinformationen lieferten.

„Unsere Bereich ist extrem eingezäunt, während drumherum ein wild florierender Markt entsteht“, sagte Dr. Elmar Kroth, in der BAH-Geschäftsführung für den Bereich Wissenschaft zuständig. Apps und digitale Informationsangebote seien eine „Riesenchance“; der Pharmabranche sei der Zugang aber weitgehend verwehrt. Dass wenigstens Beipackzettel mittlerweile ins Netz gestellt werden dürfen, sei schon eine große Errungenschaft.

Informations- und Diskussionsangebote im Internet sind laut BAH allerdings auch ein zweischneidiges Schwert: „Wenn Sie ein Forum unter eigener Regie betreiben, dann sind Sie als Hersteller auch in der Pflicht, dass die Debatte nicht aus dem Ruder gerät“, so Kroth. Es gebe Unternehmen, die seien von Verbraucherkommentaren regelrecht „weggespült“ worden. Einen Austausch etwa darüber, wie sich die Wirkung eines Medikaments beispielsweise durch die gleichzeitige Einnahme von Alkohol steigern lasse, könne kein Unternehmen im Raum stehen lassen.

Dazu kommt: Jeder Nutzerhinweis über unerwünschte Effekte sei als Nebenwirkungsmeldung einzustufen. „Da kann es passieren, dass Sie an einem Vormittag plötzlich 1000 Spontanberichte ‘am Bein haben’. Die sind zwar nicht verfizierbar und damit eigentlich vollkommen wertlos. Trotzdem müssen Sie damit umgehen.“

Dass die Industrie sich trotzdem dringend mit Gesundheitsinformationen im Internet auseinandersetzen muss, war auch Tenor einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde bei der Jahresversammlung des AESGP. Brian McNamara, beim OTC-Gemeinschaftsunternehmen von GlaxoSmithKline und Novartis für Europa und Nordamerika verantwortlich, wies auf die Möglichkeiten hin, die digitale, soziale und mobile Informationsangebote für die Gesundheitsversorgung mit sich brächten.

Als Beispiel nannte McNamara eine Applikation, die für Allergiker Vorhersagen zum Pollenflug liefert. „Es gibt solche Angebote von Unternehmen, aber bislang nur isoliert. Das muss nachhaltiger werden.“ Daten über das Käuferverhalten seien auch eine Chance für die Industrie: „Im Internet können wir ganz vorne dabei sein, wenn es um die Schulung von Patienten geht.“ Davon profitierten auch die Apotheker.

Ryan Olohan, in den USA für Gesundheitsthemen bei Google zuständig, erklärte, dass man beispielsweise sehr genau wisse, wann und in welchem Zusammenhang das Stichwort „Apotheke“ gesucht werde. Dies könne man für eine zielgenaue Ansprache nutzen.

Sastry Chilukury von der Unternehmensberatung McKinsey ist überzeugt, dass Echtzeitinformationen aus dem Netz die Arzneimittelversorgung revolutionieren können. Mit bis zu 30 Prozent Mehrertrag könnten Pharmakonzerne rechnen, wenn sie die Angebote clever nutzten. Als Beispiele nannte er den Datenaustausch im Bereich Forschung & Entwicklung, aber auch den Umgang mit Sicherheitshinweisen und Informatiosangeboten für Verbraucher.

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