Heute findet im Bundeskanzleramt der Pharmagipfel statt. Das Thema der Arzneimittelversorgung ist damit dort, wo es hingehört, findet auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU).
Über Deutschland als Pharmastandort wird heute in den Räumen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) diskutiert. Es sei wichtig, dass Scholz die Arzneimittelversorgung jetzt endlich zur Chefsache mache. „Das ist angesichts der teilweise dramatischen Versorgungsengpässe schon lange überfällig. Es muss jetzt aber auch rasch für eine wirklich zukunftsfähige Pharmastrategie gesorgt werden“, so Gerlach.
Bayern dränge schon seit Monaten darauf, den Pharmadialog zwischen Bund, Ländern und Pharmafirmen wiederaufzunehmen. In Bayern funktioniere dies schon sehr gut auf Landesebene, wie zum Beispiel das mit bayerischen Pharmafirmen erarbeitete Positionspapier zur klinischen Forschung. Mögliche Anreizen für Pharmaunternehmen, sich in Deutschland anzusiedeln und die Arzneimittelproduktion in die EU zu verlegen, habe Bayern bereits ebenfalls vorgelegt.
„Zudem fordert Bayern, dass das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz korrigiert wird. Erste Ansätze dazu sind bereits im Strategiepapier des Bundes enthalten, doch gehen diese nicht weit genug“, so Gerlach. Das derzeitige Preismoratorium mache die Forschung zur Weiterentwicklung bewährter Wirkstoffe in neuen Anwendungsgebieten unattraktiv und Deutschland als Pharmastandort gleich mit. Dass die Länder heute nicht eingeladen sind, bedauert Gerlach. „Der Bund sollte die pharmapolitische Expertise der Länder nicht länger ausblenden.“
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, erhofft sich von dem heutigen Termin im Kanzleramt ebenfalls Lösungen zur Attraktivitätssteigerung für den Pharmastandort Deutschland und zur Sicherung der Arzneimittelversorgung. „Klar ist aber auch, dass es hier im Kern um Wirtschafts- und Forschungsförderung geht – also unmittelbare Aufgaben des Staates. Wir befürchten allerdings, dass auf dem Pharmagipfel vor allem vermeintliche Lösungen zu Lasten Dritter entwickelt werden.“
Eine solche, aus Sicht der AOK-Gemeinschaft schlechte Lösung, sei auch die Idee der Hersteller, die bisher öffentlich gelisteten Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel durch vertrauliche Rabatte auf den vom Hersteller frei gewählten Preis zu ersetzen. „Das würde zu noch mehr Intransparenz bei der Preisbildung und zur Anhebung des ohnehin hohen Preisniveaus führen, da die offiziellen Listenpreise Anker für die Markt-Einstiegspreise von Nachfolgeprodukten bleiben.“ Noch mehr Intransparenz bei der Preisbildung und eine Anhebung des ohnehin hohen Preisniveaus sowie eine Mehrbelastung der Krankenkassen seien die Folgen.
Deutschland sei aufgrund des hohen Preisniveaus ein sehr attraktiver Markt für neue Arzneimittel, was aber die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel zwischen 2018 und 2022 von 39 auf rund 49 Milliarden Euro hat steigen lassen. „Statt die Preismechanismen des AMNOG-Verfahrens aufzuweichen und die Beitragszahlenden zusätzlich zu belasten, sollte eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung zu bezahlbaren Preisen im Fokus stehen“, so Hoyer weiter. Die bewährten und verlässlichen Rahmenbedingungen bei der Preisbildung und Erstattung sollten nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Stattdessen müssten diese weiterentwickelt werden.
Der AOK-Bundesverband schlägt daher beispielsweise die Einführung eines sogenannten Interimspreises für Arzneimittel ab dem ersten Tag nach Marktzugang vor. So könnten bislang frei gewählte Listenpreise abgelöst und rückwirkend mit einem Erstattungsbetrag verrechnet werden, der auch schon nach neun Monaten feststehen sollte. Der für 2023 erhöhte Herstellerabschlag sollte zudem die kommenden zwei Jahre beibehalten werden. „Dieses einfach umsetzbare und sofort wirksame Instrument zur Kostenbegrenzung bringt pro Jahr Einsparungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro“, so Hoyer.
Den Pharmagipfel hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorab bereits im ZDF-Talk „Markus Lanz“ angekündigt. „Das ist ein wichtiges Thema für den Bundeskanzler. Das Konzept wird noch im Dezember vorgestellt.“ Beteiligt am Pharmagipfel ist neben Lauterbachs Ressort und dem Kanzleramt auch das Wirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck (Grüne), womöglich wird auch das Forschungsministerium involviert.
APOTHEKE ADHOC Debatte