Zufriedene Apotheker, geplatzte Träume Lothar Klein, 07.10.2016 14:35 Uhr
Mit dem heute bekannt gewordenen Kabinettsentwurf zum „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ (AM-VSG) können die Apotheker zufrieden sein. Die Pharmaindustrie hingegen sieht ihre Forderungen und Wünsche nicht erfüllt. Das Preismoratorium wird bis 2020 verlängert. Und die Regelung zur Vertraulichkeit der Erstattungspreise ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Allerdings finden sich im Kleingedruckten Erleichterungen für die Arzneimittelhersteller.
Wie nicht anders erwartet, hält der aktualisierte Kabinettsentwurf des AM-VSG unverändert an der Honorarerhöhung für Rezepturen und BtM-Gebühren fest. Die Apotheker erhalten unterm Strich ein Plus von 100 Millionen Euro. Wie für Fertigarzneimittel müssen die Krankenkassen für Standard-Rezepturen den Fix-Zuschlag von 8,35 Euro zahlen. Für BtM-Rezepte steigt das Honorar auf 2,91 Euro.
Die Erhöhung des Rezeptur-Honorars summiert sich laut Kabinettsentwurf auf 70 Millionen Euro, allerdings inklusive Mehrwertsteuer auf Kassenseite. Die Anhebung des BtM-Honorars von 26 Cent auf 2,91 Euro ergibt in der Summe nochmals rund 30 Millionen Euro. Allerdings: Auf das Rezepturhonorar wird der Kassenabschlag von 1,77 Euro fällig. Nicht enthalten im Referentenentwurf ist der von Gesundheitspolitikern der Koalition ins Gespräch gebrachte Honorardeckel für Hochpreiser. Im BMG hatte man diesen Vorschlag von Anfang an kritisch gesehen.
Neben dem Festzuschlag in Höhe von 8,35 Euro sollen die Arbeitspreise um jeweils einen Euro erhöht werden. Zu den Kosten heißt es im Entwurf: „Die Maßnahmen zur Vergütungsverbesserung bei Apotheken sind mit jährlichen Mehrbelastungen für die gesetzliche Krankenversicherung von rund 100 Millionen Euro verbunden. Dabei entfallen auf die Regelungen zur Ausdehnung des Festzuschlags auf Standardrezepturen und die Erhöhung der Arbeitspreise rund 70 Millionen Euro und auf den zusätzlichen Betrag für dokumentationsaufwändige Arzneimittel rund 30 Millionen Euro. Für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung entstehen durch diese Maßnahmen jährliche Mehrausgaben von rund 15 Millionen Euro.“
Nicht zufrieden sein wird die Pharmabranche mit der im Pharmadialog den Herstellern zugesagte Vertraulichkeit der Erstattungspreise. Das BMG bleibt bei seinem Vorschlag, die Erstattungspreise Ärzten, Apothekern, dem Großhandel und anderen notwendigen Stellen bekannt zu machen. „der Erstattungsbetrag wird nicht mehr öffentlich gelistet“, so der Entwurf. Er darf nur solchen Institutionen zur Verfügung gestellt werden, die ihn zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen. Die ist aus Sicht des BMG erforderlich, um ein reibungslose Funktionieren der Verordnungen und Abrechnungen im Gesundheitssystem zu gewährleisten.
Ein systematischer Zugang zu den Erstattungsbeträgen sei für ausländische Behörden damit nicht mehr möglich. Die nähere Ausgestaltung dieser Generalaussage soll das BMG im „Einvernehmen“ mit dem Bundeswirtschaftsministerium später in einer Verordnung regeln.
Verlängert wird das Preismoratorium für die Pharmaindustrie um weitere sechs Jahre bis 2022. Ab 2018 soll allerdings ein Inflationsausgleich eingeführt werden. Das BMG schätzt die Ersparnisse für die Kassen daraus auf 1,5 bis zu zwei Milliarden Euro. Dies sei ein „Signal an die Pharmaindustrie, dass die Preise nicht durch die Decke“ gehen dürften, hieß es dazu aus Regierungskreisen.
Für neue Arzneimittel wird zudem eine Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro eingeführt. Bei Überschreiten dieser Schwelle gilt für die weiteren Verkäufe ab sofort der niedrigere Erstattungspreis. In der Vergangenheit wären drei Arzneimittel unter die neue Umsatzschwelle gefallen. Damit hätten die Kassen 200 Millionen Euro einsparen können.
Wie im Pharmadialog vereinbart, sollen Rabattverträge künftig so ausgestattet werden, dass die Hersteller eine hinreichend lange Frist zur Umsetzung erhalten. Die Frist soll sechs Monate betragen. Bei patentfreien Arzneimitteln muss der Hersteller drei Monate nach dem Zuschlag liefern können.
Erleichterungen bei der Nutzenbewertung sollen für Antibiotika und Kinderarzneimittel eingeführt werden. Neben den üblichen Studien sollen auch andere Informationen zur Bewertung herangezogen werden. Erweitert wird der Verhandlungsspielraum der Hersteller auch für neue Arzneien ohne Zusatznutzen. Der „generische Preisanker“, also die Festsetzung des Preise auf dem Niveau der billigsten Vergleichstherapie, soll von einer „Muss“- in eine „Kann“-Vorschrift aufgeweicht werden.
Einen Spalt breit öffnet Gröhe für die Arzneimittelhersteller die Tür bei der Nutzenbewertung. Bislang gilt der Zusatznutzen als nicht belegt, wenn der Hersteller die erforderlichen Nachweise nicht liefern kann. Künftig wird unterschieden zwischen „nicht belegt“ und „nicht bestätigt“. Gilt ein Zusatznutzen als „nicht belegt“, kann für das das Arzneimittel ein Erstattungspreis mit einem Abschlag vereinbart werden.