Gröhe verzichtet zunächst auf Rx-Versandverbot Lothar Klein, 04.11.2016 10:59 Uhr
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) drückt bei der Beratung seines Pharmadialoggesetzes aufs Tempo. Der Minister schickt sein Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) deswegen ohne das angekündigte Rx-Versandverbot in die parlamentarische Beratung. Anders als zunächst vorgesehen, findet die erste Lesung des AM-VSG jetzt bereits nächsten Donnerstag statt. Dafür muss die Geschäftsordnung des Bundestages „gedehnt“ werden.
Ursprünglich war vorgesehen, die erste Lesung des AM-VSG am 15. Dezember, einen Tag nach der geplanten Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages, durchzuführen. Laut Absprache sollten die Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf ins Parlament einbringen. Dann hätten bis Dezember bereits Änderungsanträge vorliegen können. Auf diesem Weg hätte die Koalition auch das Rx-Versandverbot in die Beratung schon vor der ersten Lesung einspeisen können.
Jetzt bringt Gröhe das AM-VSG als Regierungsentwurf ein. Damit solle die politische Verantwortung für den Pharmadialog und dessen Ergebnisse unterstrichen werden, heißt es in der Koalition – außerdem wird der parlamentarische Ablauf beschleunigt. Noch vor der ersten Lesung soll der Gesundheitsausschuss bereits am Mittwoch die Anhörung für den 14. Dezember beschließen. Das wäre laut Geschäftsordnung eigentlich erst am Donnerstag zulässig.
Damit beraten jetzt Bundestag und Bundesrat das Pharmadialog-Gesetz parallel. Denn am kommenden Mittwoch wird sich auch der Gesundheitsausschuss der Länderkammer mit dem AM-VSG befassen. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat dazu eine Gesetzesinitiative zum Rx-Versandverbot angekündigt. Am 25. November wird der Bundesrat dann das AM-VSG in erster Lesung beraten. Dann wird sich zeigen, ob es Ländermehrheit dafür gibt.
Die Apotheker werden die Beschleunigung der AM-VSG-Beratung mit gemischten Gefühlen beobachten. Einerseits erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass die im AM-VSG enthaltende Honorarerhöhung von 100 Millionen Euro für Rezeptur und BtM-Rezepte im Frühjahr 2017 ebenso in Kraft treten kann wie das Verbot der Zyto-Ausschreibungen.
Damit sinken aber die Chancen, dass das von Gröhe zugesagte Rx-Versandverbot mit dem AM-VSG beschlossen wird. Immer mehr deutet auf ein eigenständiges Gesetz hin. Dessen Chancen auf Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode sind sehr ungewiss.
Gestern war das Bundeswirtschaftsministerium von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) auf Distanz zu Gröhes Vorschlag gegangen. Dr. Rainer Sontowski, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), warnte vor „Schnellschüssen“. Stattdessen müsse man „kluge Entscheidungen“ treffen. Statt eines Rx-Versandverbotes empfiehlt das BMWi einen „Nachteilsausgleich“ für inländischen Apotheken. So könne man beispielsweise einen Teil des Apothekenhonorars für Rabatte und Boni freigeben, sagte Sontowski.
Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), kündigte „wochen- und monatelange“ Prüfungen an. Das BMG hält zwar am Rx-Versandverbot fest, dabei gelte es aber „viele Dinge zu bedenken“, sagte Stroppe: „Wie sieht die flächendeckende Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken in Deutschland aus? Welche Wirkung geht von einem Rx-Versandverbot auf das deutsche Gesundheitssystem aus? Welchen Nutzen haben chronisch Kranke vom Versandhandel?“ Stroppe: „Das ist ein schwieriger Abwägungsprozess.“
Das BMG habe entschieden, „in einem ersten Schritt“ das Rx-Versandverbot zu prüfen. „Das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten vorantreiben“, so Stroppe. Man werde dann sehen, welche Lösung eine Mehrheit finden kann, in welche Richtung es gehe, vermied der BMG-Staatssekretär eine Festlegung auf das Rx-Versandverbot.