Pharmadialog-Gesetz

„30 Prozent Apothekenrabatt sind Unsinn“ Alexander Müller, 24.08.2016 14:54 Uhr

Berlin - 

Die Apotheker sollen mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) mehr Geld für Rezepturen und die BtM-Dokumentation erhalten. Bei der gestrigen Fachanhörung gab es erneut Gegenwind von den Krankenkassen. Während das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in dieser Frage entschieden scheint, ist in Sachen Zyto-Ausschreibung noch alles offen. Die Vertreter des Ministeriums hörten sich alles kommentarlos an.

Im zu einem Schulungszentrum umgebauten ehemaligen Kaiserin-Augusta-Hospital wurde rund vier Stunden lang über das „Pharmadialog-Gesetz“ von Bundesgesundheitsminister Hemann Gröhe (CDU) diskutiert. Erwartungsgemäß beanspruchte das AMNOG-Verfahren einen Großteil der Zeit. Hier gibt es von allen Herstellerverbänden Kritik an den Plänen des BMG. Teilnehmern zufolge wurden weitestgehend die Argumente aus den Stellungnahmen vorgetragen.

Doch auch die Apothekenthemen wurden bei der nicht öffentlichen Anhörung diskutiert. Der GKV-Spitzenverband erneuerte seine Kritik an der geplanten Honorarerhöhung, die ABDA verteidigte die Maßnahme als angemessen. In ihren Stellungnahmen hatten neben AOK-Bundesverband und PKV-Verband auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sowie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) die geplante Anpassung der Rezepturvergütung kritisiert – da für die Hersteller gleichzeitig das Preismoratorium verlängert werden soll. Bei der Anhörung hielten sich die Herstellerverbände aber zu diesem Thema zurück.

Umfassender als über die Honorarerhöhung wurde über Zyto-Ausschreibungen diskutiert. Für die Kassen stiegen Dr. Sabine Richard vom AOK-Bundesverband und Dr. Antje Haas vom GKV-Spitzenverband in den Ring. Aus Sicht der Kassen hat sich die Hilfstaxe in der Praxis nicht bewährt: Man sei zwar selbst kein Fan von Ausschreibungen, aber die bisherige Regelung habe eben nicht zu den gewünschten Resultaten geführt.

Für den Verband der Zystostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) ist ein Verbot von Zyto-Ausschreibungen das Kernanliegen. Die ABDA hat die Position des Spezialverbandes in ihrer Stellungnahme unterstützt. Mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben die Apotheker zudem einen mächtigen Verbündeten in ihrem Kampf gegen die umstrittenen Exklusivverträge. Ob sich das Ministerium von der wachsenden Kritik überzeugen ließ, war gestern nicht auszumachen.

VZA-Chef Dr. Klaus Peterseim fände es zumindest „verwunderlich“, wenn der Gesetzgeber das Thema komplett links liegen lassen würde. Denn aktuell gebe es kaum Themen in der Gesundheitspolitik, über die so intensiv diskutiert werde. Für den VZA wäre es daher eine „Riesenenttäuschung“, sollte das BMG nicht eingreifen.

Der Verband hatte deshalb gestern „die Flucht nach vorn angetreten“, wie es Peterseim nennt. Die Zyto-Apotheker wollen mehr Preistransparenz herstellen und so weitere Einsparungen über die Hilfstaxe ermöglichen. Der Vorschlag: Der Gesetzgeber soll festlegen, dass DAV und GKV-Spitzenverband die Zahlen genannt bekommen, die von den Zyto-Apothekern tatsächlich an die Herstellern gezahlt wurden. „Wir wollen uns nicht mehr anhören, wir würden das Geld in die Tasche stecken. Das Geld ist bei der Industrie. Für deren Preispolitik möchten wir nicht mehr haftbar gemacht werden“, so Peterseim.

Die Zyto-Apotheker würden sogar auf die Einkaufvorteile bei der Industrie verzichten, wenn die pauschale Vergütung entsprechend angepasst würde. „Wenn es eine anständige, auskömmliche Herstellungsvergütung und dazu eine Bewirtschaftungsvergütung gäbe, wären wir zufrieden“, so Peterseim. Ihm schwebt für die Handlingskosten ein prozentualer Zuschlag von circa 3 Prozent vor – also angelehnt an den Betrag für Fertigarzneimitteln. Wenn die Herstellungsvergütung von 81 Euro laut Hilfstaxe entsprechend erhöht würde, könnten die Apotheker auch auf die Einkaufsvorteile verzichten.

Rabattverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen auf Substanzebene wie im Generikamarkt lassen sich dagegen aus Sicht des VZA nicht auf Zytostatika übertragen. Die herstellenden Apotheken müssten dann nämlich je nach Krankenkasse mit verschiedenen Herstellern zusammenarbeiten.

Das würde zwei Probleme mit sich bringen: Zum einen wäre das Nebeneinander mehrerer Rabattpartner gefährlich. In der Praxis bestünde ein erhöhtes Fehlerrisiko, weil generische Wirkstoffe von den Herstellern in unterschiedlichen Konzentrationen angeboten werden. Aus Kassensicht wären entsprechende Herstellerverträge sehr wahrscheinlich auch teurer, weil in der Produktion dann viel mehr Verwürfe entstehen würden. Der VZA hat sich daher laut Peteseim bewusst dagegen entschieden, so ein Modell als Alternative zu den Selektivverträgen mit Apotheken vorzuschlagen.

Die Krankenkassen monieren, die Zyto-Apotheker hätten sich erst bewegt, als immer mehr Ausschreibungen in diesem Bereich kamen. Gleichzeitig ist die Erwartungshaltung bei den Kassenchefs sehr groß, was die möglichen Einsparungen betrifft: Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg, etwa hatte öffentlich behauptet, nach der Ausschreibung werde die AOK etwa 30 Prozent weniger für die entsprechenden Produkte zahlen.

Solche Zahlen ärgern die Zyto-Apotheker, sie halten sie für vollkommen unrealistisch. Denn Preisverhandlungen mit der Industrie seien nur bei Generika möglich. Mittlerweile machten aber patentgeschützte Antikörper 70 bis 80 Prozent des Umsatzes aus, berichtet ein Rabattpartner der AOK. Auch der VZA beziffert den Generikaanteil im Markt bei rund 15 Prozent.

Einige Hersteller leisten den Ausschreibungen aber dem Vernehmen nach indirekt Vorschub. Bekommt der Apotheker den Zuschlag bei einer Ausschreibung, erhält er höhere Rabatte. Beim VZA geht man deshalb davon aus, dass auf Herstellerseite „noch Luft“ ist. Nur darüber, wie die Einsparpotenziale gehoben werden sollen, ist man sich mit den Kassen nicht einig.

Jetzt ist das BMG am Zug. Bislang hat sich das Ministerium nicht zu einem Verbot der Ausschreibungen durchgerungen. Allerdings hatte das BMG zuletzt auf Nachfrage auf den Willen des Gesetzgebers hingewiesen, wonach auch Krebspatienten das Recht auf freie Wahl einer Apotheke haben.