Die Krankenkassen halten nichts von den Plänen der Bundesregierung, das Honorar für Rezepturen und BtM-Dokumentation anzuheben. Die Apotheker hätten keinerlei belastbare Zahlen vorgelegt, um den Bedarf nachzuweisen, heißt es in der Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum Pharmadialog-Gesetz (Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, AM-VSG). Mehrkosten von rund 115 Millionen Euro brächten für die Versicherten höhere Zusatzbeiträge.
Die vorgesehene Änderung bei den Rezepturen sei identisch mit Forderungen der Apothekerschaft. „Seitens der Apotheker wurden zu keinem Zeitpunkt empirische Daten vorgelegt, die die Notwendigkeit einer Erhöhung der Vergütung für Apotheken belegen würden“, monieren die Kassen. Diesen „eklatanten Mangel an objektiven und aussagekräftigen Zahlen“ habe auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) erkannt: Daher sei im Frühjahr ein aufwändiges Forschungsprojekt in Auftrag gegeben worden, um auf diesen Ergebnissen evidenzbasiert Entscheidungen zur Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) treffen zu können.
Die Ergebnisse könnten naturgemäß zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen. Es stelle die Sinnhaftigkeit des Forschungsvorhabens in Frage, wenn der Gesetzgeber bei Änderungen der AMPreisV auf Informationen, die als essentiell zur Anpassung der Apothekenvergütung angesehen würden, verzichte. „Zudem ist es nicht möglich, eine angemessene Vergütungshöhe festzulegen, wenn keine empirischen Daten im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt werden.“
Die Einführung eines Festzuschlags von 8,35 Euro für Rezepturarzneimittel widerspreche zudem der Systematik der AMPreisV und führe zu einer überzogenen Gesamtvergütung: Die Vergütung dieser Beratungsleistung sei bei Rezepturen auch schon in den Zu- und Aufschlägen berücksichtigt. Entsprechend müsste überprüft werden, welcher Anteil der Rezeptur- und Substanzzuschläge zur Vergütung der Beratungsleistung vorgesehen sei und eine entsprechende Absenkung dieser Aufschläge vorgenommen werden. „Das Vorhaben, neben der Einführung eines Festzuschlags auch die Rezepturzuschläge zu erhöhen – und dies alles ohne jegliche empirische Grundlage –, führt zwangsläufig zu einer Doppelvergütung.“
Anpassungen der Vergütung von Rezepturen dürften daher nicht unabhängig von der Vergütung für Fertigarzneimittel betrachtet werden. Der Kassenverband verweist auf die Begründung zum GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz, nach der die Rezepturzuschläge nicht auf einer „kostenrechnerisch exakten Betrachtung“ festgelegt wurden, zumal „die Apotheke in ihrer Gesamtheit zu sehen ist und die im Bereich der Rezepturen anfallenden Kosten weitgehend bereits durch Zuschläge bei Fertigarzneimitteln abgedeckt werden“.
„Die Höhe der Rezepturzuschläge wurde bei Umstellung der Systematik der AMPreisV also so festgelegt, dass der Bereich der Fertigarzneimittel den Bereich der Rezeptur querfinanzieren soll“, argumentiert der GKV-Spitzenverband. „Eine signifikante Erhöhung der Vergütung für Rezepturen muss also entsprechend der Systematik dazu führen, dass auch die Vergütung für die Abgabe von Fertigarzneimitteln angepasst wird. Sie müsste um den Anteil abgesenkt werden, der zur Querfinanzierung der Rezepturherstellung vorgesehen ist.“
Der GKV-Spitzenverband schlägt eine Absenkung von Fixzuschlag beziehungsweise dem prozentualen Festzuschlag von 90 Prozent auf die Rezeptursubstanzen oder alternativ eine Deckelung der prozentualen Vergütung in Höhe von 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis. So ließen sich auch gezielt Apotheken fördern, die eine überdurchschnittliche Anzahl von Rezepturen herstellen, ohne Leistungen doppelt zu vergüten.
Im Grundsatz soll die Honoraranpassung aber komplett gestrichen werden; auch die Umstellung des Kassenrabatts im Bereich der Rezepturen von derzeit 5 Prozent auf den festen Betrag von 1,77 Euro wird abgelehnt. Die Kassen rechnen ansonsten insgesamt mit Mehrausgaben von mehr als 80 Millionen Euro inklusive Mehrwertsteuer, wobei 65 Millionen Euro auf den neuen Fixzuschlag in diesem Bereich und 8 Millionen Euro auf die Erhöhung der Rezepturzuschläge entfallen.
„Diese müssen in Form steigender Zusatzbeiträge von den Versicherten getragen werden. Ob es sinnvoll ist, diese Gruppe finanziell erneut zu belasten um den Forderungen der Apothekerschaft nach höheren Gewinnen nachzukommen, erscheint aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes fragwürdig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apothekenbetriebsstätte in Deutschland nach Angaben des Deutschen Apothekerverbandes im Jahr 2015 bei 136.345 Euro lag.“
Was die Anpassung der BtM-Gebühr angeht, räumt der Kassenverband zwar ein, dass es schon seit längerem keine Änderung gegeben habe. Der richtige Rahmen für eine Überprüfung der Angemessenheit wäre aber auch hier das Forschungsvorgaben des BMWi: „In diesem Zusammenhang wäre ebenfalls zu überprüfen, inwiefern andere Vergütungsformen den Mehraufwand für die Abgabe von Betäubungsmitteln bereits heute querfinanzieren und diese Vergütungen müssten entsprechend angepasst werden.“
„Nicht nachvollziehbar ist eine Steigerung dieser Gebühr um 1119 Prozent.“ Auch die Einführung der Gebühr für die erhöhte Dokumentation bei anderen „Sonderrezepten“ wird abgelehnt: „Es ist fraglich, ob der zusätzliche Aufwand, der bei der Abgabe dieser Arzneimittel entsteht, tatsächlich eine Gebühr in Höhe der Gebühr für die Dokumentation von Betäubungsmitteln rechtfertigt.“
Durch die vorgesehene Erhöhung und Ausweitung der Dokumentationsgebühren entstünden Mehrkosten in Höhe von etwa 35 Millionen Euro. „Vor dem Hintergrund der fehlenden empirischen Grundlage für diese Vergütungserhöhung und –ausweitung sowie der erheblichen Mehrausgaben lehnt der GKV-Spitzenverband diese Neuregelung zu diesem Zeitpunkt ab.“
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