BMG: Machtwort zum Apothekenhonorar Lothar Klein, 22.08.2016 10:01 Uhr
Ungeachtet der Kritik von Krankenkassen und Pharmaindustrie will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an der vorgeschlagenen Erhöhung des Apothekenhonorars im Umfang von rund 100 Millionen Euro festhalten. Die Aufstockung des Honorars für Rezepturen und BtM-Rezepte sei „angemessen“, heißt es aus Regierungskreisen. Es handele sich um eine „punktgenaue Zuwendung“ an einer Stelle, „wo es Korrekturbedarf gibt“.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte im Juli seinen Entwurf für das „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ (AM-VSG) vorgelegt. Darin soll die seit Jahren versprochene Erhöhung der Rezeptur- und BtM-Gebühren geregelt werden. Wie für Fertigarzneimittel müssen die Krankenkassen für Standard-Rezepturen dann voraussichtlich ab 2017 den Fix-Zuschlag von 8,35 Euro zahlen. Für BtM-Rezepte steigt das Honorar auf 2,91 Euro.
Die Erhöhung des Rezeptur-Honorars summiert sich laut Referentenentwurf auf 70 Millionen Euro, allerdings inklusive Mehrwertsteuer auf Kassenseite. Die Anhebung des BtM-Honorars von 26 Cent auf 2,91 Euro ergibt in der Summe nochmals rund 30 Millionen Euro. Allerdings: Auf das Rezepturhonorar wird der Kassenabschlag von 1,77 Euro fällig. Neben dem Festzuschlag in Höhe von 8,35 Euro sollen die Arbeitspreise um jeweils einen Euro erhöht werden.
In ihren Stellungnahmen hatten verschiedene Herstellerverbände sowie massiv der GKV-Spitzenverband die Pläne des BMG attackiert. Als Reaktion auf diese Kritik heißt es jetzt aus Regierungskreisen: Mit dem Vorschlag rede man keiner generellen Honorarerhöhung das Wort, die Erhöhung entspreche vielmehr der Logik des Nacht- und Notdienstfonds: Man knüpfe an „zwei Stellschrauben an“. Das seien „sehr spezielle, einzelne Leistungen“, die nicht mehr angemessen vergütet würden.
Am 23. August findet im Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine interne Anhörung zum AM-VSG statt. Kritik an der geplanten Honorarerhöhung kommt nicht nur von Seiten der Kassen und der Pharmaindustrie. Auch im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) wurde die Anpassung der Gebühren dem Vernehmen nach nicht gerne gesehen.
DEnn immerhin will das Ressort von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) in einem Forschungsprojekt durchleuchten und im kommenden Jahr bei Bedarf anpassen. Doch dem Vernehmen nach ist die in Gröhes Gesetz vorgesehene Erhöhung mit dem BMWi abgestimmt. Allerdings müsse „mancher Koalitionspartner“ noch überzeugt werden, heißt es.
Zu den Kosten der geplanten Erhöhung heißt es im Entwurf: „Die Maßnahmen zur Vergütungsverbesserung bei Apotheken sind mit jährlichen Mehrbelastungen für die gesetzliche Krankenversicherung von rund 100 Millionen Euro verbunden. Dabei entfallen auf die Regelungen zur Ausdehnung des Festzuschlags auf Standardrezepturen und die Erhöhung der Arbeitspreise rund 70 Millionen Euro und auf den zusätzlichen Betrag für dokumentationsaufwändige Arzneimittel rund 30 Millionen Euro. Für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung entstehen durch diese Maßnahmen jährliche Mehrausgaben von rund 15 Millionen Euro.“
„Der Vorschlag verfolgt das Ziel der besseren Honorierung insbesondere des Beratungsaufwandes auch bei Rezepturen“, hieß es dazu bereits in den kürzlich bekannt gewordenen Eckpunkten zum Gesetzentwurf. Diese Regelung sei „einfach, klar und eindeutig“ und erfolge praktisch ohne „Erfüllungsaufwand“. Zudem komme die Erhöhung der Vergütung gezielt nur Apotheken zugute, die Rezepturen fertigten.
In seiner Stellungnahme zum Pharmadialog-Gesetzt hatte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gegen die Verlängerung des Preisstopps für Arzneimittel mit dem Hinweis auf die Erhöhung des Apothekenhonorars protestiert. Die Begründung zur Notwendigkeit der Fortführung bis 2022 stoße auch deshalb auf „Unverständnis und Empörung“, weil im gleichen Gesetz eine „Neuregelung bei den Rezepturen und damit eine Anhebung der Vergütung für Apotheker in Höhe von insgesamt 100 Millionen Euro erfolgt“, hieß es.
„Dieses Vorgehen verfehlt eindeutig den Grundgedanken der gemeinsamen Versorgung mit Arzneimitteln. Es ist nicht zu vermitteln, auf der einen Seite neue Ausgabenposten vorzusehen und anderseits mit Blick auf die Finanzstabilität der GKV staatliche planwirtschaftliche Regulierungsinstrumente wie das Preismoratorium für weitere fünf Jahre fortzuführen“, so der BPI.
Auch die Krankenkassen halten nichts von den Plänen der Bundesregierung, das Honorar für Rezepturen und BtM-Dokumentation anzuheben. Die Apotheker hätten keinerlei belastbare Zahlen vorgelegt, um den Bedarf nachzuweisen, heißt es in der Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum Pharmadialog-Gesetz. Mehrkosten von rund 115 Millionen Euro brächten für die Versicherten höhere Zusatzbeiträge.
„Seitens der Apotheker wurden zu keinem Zeitpunkt empirische Daten vorgelegt, die die Notwendigkeit einer Erhöhung der Vergütung für Apotheken belegen würden“, monierten die Kassen. Diesen „eklatanten Mangel an objektiven und aussagekräftigen Zahlen“ habe auch das BMWi erkannt: Daher sei im Frühjahr ein aufwändiges Forschungsprojekt in Auftrag gegeben worden, um auf diesen Ergebnissen evidenzbasiert Entscheidungen zur Anpassung der AMPreisV treffen zu können. Die Ergebnisse könnten naturgemäß zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen.
Es stelle die Sinnhaftigkeit des Forschungsvorhabens in Frage, wenn der Gesetzgeber bei Änderungen der AMPreisV auf Informationen, die als essentiell zur Anpassung der Apothekenvergütung angesehen würden, verzichte. „Zudem ist es nicht möglich, eine angemessene Vergütungshöhe festzulegen, wenn keine empirischen Daten im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt werden.“ Die Einführung eines Festzuschlags von 8,35 Euro für Rezepturarzneimittel widerspreche zudem der Systematik der AMPreisV und führe zu einer überzogenen Gesamtvergütung.