Phagro warnt vor EU-Großhändlern APOTHEKE ADHOC, 30.08.2019 17:20 Uhr
Der Großhandelsverband Phagro fürchtet, dass mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) die Preisbindung auf Großhandelsebene fällt. Nicht nur Versandapotheken könnten dann aus dem Ausland günstiger liefern, sondern auch Großhändler, die sich auf lukrativer Präparate spezialisieren. In der Branche droht man bereits mit Abwanderung.
Mit dem VOASG soll § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG) gestrichen werden. Dort heißt es bislang: „Die Arzneimittelpreisverordnung [...] gilt auch für Arzneimittel, die [...] in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.“ Obwohl konkret nur der Versand an Endverbraucher angesprochen ist, sieht man beim Phagro die „juristische Fernwirkung“: Warum sollte die Preisbindung auf der Großhandelsebene Bestand haben, wenn sie bei den Apotheken gestrichen wird.
Verbandschef Dr. Thomas Trümper fürchtet massive Verwerfungen: „Damit werden ungleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen und die in Deutschland ansässigen pharmazeutischen Großhändler diskriminiert“, sagte er gegenüber dem Handelsblatt.
Die geplante Preisbindung via Sozialgesetzbuch (SGB V) betrifft Hersteller und Großhändler laut Trümper ohnehin nicht. Mit der Streichung des Passus fiele daher die Gleichpreisigkeit auf der Großhandelsebene. Ausländische Wettbewerber könnten daher insbesondere bei lukrativen Arzneimitteln mit Niedrigpreisen deutsche Apotheken als Kunden gewinnen. Das ginge zulasten des deutschen Großhandels, der weiterhin an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden sei.
„Tritt das Gesetz so in Kraft, müssten wir eigentlich einen Standort im Ausland aufbauen, von wo aus wir zu gleichen Bedingungen einkaufen und liefern können wie die anderen ausländischen Großhändler“, sagte Hanns-Heinrich Kehr vom Privatgroßhändler Richard Kehr gegenüber dem Handelsblatt.
Trümper warnte vor einer Gefährdung der bedarfsgerechten Versorgung. Laut Phagro soll ausdrücklich klargestellt werden, dass ausländische Pharmagroßhändler und direkt liefernde Pharmaunternehmen bei der Belieferung von deutschen Apotheken an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden bleiben. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verwies gegenüber dem Handelsblatt auf das laufende parlamentarische Verfahren.
Bereits im Juli hatte der Phagro-Vorsitzende gemahnt: „Anstatt die bewährten Grundprinzipien der Arzneimittelversorgung auf dem Altar der Warenverkehrsfreiheit zu opfern, sollte der Gesetzgeber sich auch weiterhin zu einer flächendeckenden, sicheren, herstellerneutralen, bedarfsgerechten und kontinuierliche Versorgung mit Arzneimitteln bekennen und diese ordnungsrechtlich sauber absichern“, so Trümper.
Tatsächlich sind die Folgewirkungen des EuGH-Urteils aus dem Jahr 2016 auf die Handelskette noch nicht abzusehen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) begründet sich die Preisbindung nämlich nur im einheitlichen Apothekenabgabepreis. Da dieser im Ausland nicht gilt, dürfen DocMorris, Shop-Apotheke & Co. nicht nur Rx-Boni gewähren, sondern auch noch günstiger einkaufen. Erste Hersteller denken bereits darüber nach, ihre Ware künftig über die Niederlande in den deutschen Markt zu verkaufen. Das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen.