Phagro sieht Arzneimittelversorgung in Gefahr Lothar Klein, 12.12.2018 13:40 Uhr
Nicht nur die Apotheker ringen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) um die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit. Auch der Großhandel stellt noch Forderungen an die im Terminservice-Gesetz (TSVG) enthaltenen Änderungen zur Großhandelsmarge. Jetzt legt der Großhandelsverband Phargro dazu eine Studie des Instituts für Handelsforschung (IFH) vor. Das ist kein Zufall: Morgen wird das TSVG in erster Lesung im Bundestag beraten.
Die wirtschaftliche Basis des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels erodiere, schreibt der Phagro. Das gefährde nicht nur das Geschäftsmodell der Vollversorger, sondern vor allem die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln. Zu diesem brisanten Ergebnis komme die aktuelle IFH-Studie in Zusammenarbeit mit Professor Kaapke Projekte. Die Großhändler arbeiteten im Spannungsfeld „Steigende Anforderungen – sinkende Margen“. Sie sicherten die flächendeckende, sichere und schnelle Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Eine Aufgabe, die zunehmend schwerer zu erfüllen sei, denn die wirtschaftliche Basis des vollversorgenden Großhandels habe sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Ohne zeitnahe Korrekturen könne diese Entwicklung letztlich das bewährte System der Arzneimittelversorgung in Deutschland gefährden.
Dass dies kein abstraktes Negativszenario sei, zeigt die IFH-Studie: Die Untersuchung zeige auf, unter welchen regulatorischen Rahmenbedingungen der Großhandel arbeite. Zudem vergleiche die Studie das Geschäftsmodell der Vollversorger mit anderen Vertriebsmodellen zur Distribution von Arzneimitteln, insbesondere mit dem Direktvertrieb durch pharmazeutische Unternehmer.
Als wesentliche Gründe für die anhaltend schlechte wirtschaftliche Entwicklung im vollversorgenden Großhandel identifiziere die Studie unter anderem die Kostendämpfungsbemühungen des Gesetzgebers. Insbesondere die Neuordnung der Großhandelsvergütung im Jahr 2012 durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zu einer signifikant sinkenden Honorierung des Großhandels geführt. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen aus neuen gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben, etwa durch die EU-Leitlinien zur Guten Vertriebspraxis oder die EU-Fälschungsschutzrichtlinie. Das verteuere Investitions- und Betriebskosten der Großhändler.
Hinzu kämen insbesondere das wachsende Direktgeschäft der Hersteller und die zunehmende Kontingentierung bei der Belieferung des Großhandels. Negativ wirkten zudem Sortimentsverschiebungen hin zu hochpreisigen und arbeitsaufwendigen Arzneimitteln, deren Distribution nicht kostendeckend vergütet werde. Auch deshalb hat sich die Zahl der vollversorgenden Großhandlungen seit 2000 halbiert.
Sollten sich in diesem Maße weitere Unternehmen vom Prinzip der Vollversorgung verabschieden oder aus dem Markt ausscheiden, stünde die bewährte herstellerneutrale und flächendeckende Arzneimittelvollversorgung auf dem Spiel, so die Autoren der Studie. Hier sei die Politik gefordert. „Soll die Effektivität und Effizienz des Arzneimittelversorgungssystems aufrechterhalten werden, ist das Geschäftsmodell der Vollversorger zu stärken“, so Dr. Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter des IFH.
„Die Studie bestätigt die akute Brisanz vieler unserer Warnungen aus den letzten Jahren“, kommentiert der Phagro-Vorsitzende Dr. Thomas Trümper. „Jetzt können wir unsere Argumente wissenschaftlich belegen.“ Das sei dem Phagro vor allem mit Blick auf die TSVG-Beratung im Bundestag wichtig. „Hier benötigt der vollversorgende Großhandel dringend Rechtssicherheit, so wie es der Gesetzgeber bereits mit dem AMNOG vorsah“, so Trümper. „Es muss unmissverständlich klargestellt werden, dass der pharmazeutische Großhandel Rabatte und Skonti in Summe nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags gewähren darf.“ An dieser Stelle ist der Gesetzestext allerdings unklar formuliert.