Wenn der Großhandelsverband Phagro auf informeller Ebene bei der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) mitreden will, dann soll das geheim bleiben. Als Zeugin im Prozess um die Datenaffäre im Bundesgesundheitsministerium (BMG) sagte Geschäftsführerin Bernadette Sickendiek aus, wie ihr Verband mit Themen umgeht, zu denen er offiziell keine Meinung abgeben will.
Laut Sickendiek sind die Großhändler „sehr interessiert“, wenn gesetzliche Änderungen anstehen, die ihre Kunden betreffen. Daher habe man 2010 auch die Debatte um die ApBetrO sehr aufmerksam verfolgt und sich gewundert, wie detailliert insbesondere APOTHEKE ADHOC über die teilweise widersprüchlichen Pläne des BMG berichtete. Dazu hatte man eigene Nachfragen an das Ministerium, denn die Interessen von Großhandel und Apotheken stimmten nicht überein, jedenfalls nicht immer.
Also habe man um ein „informelles Gespräch“ gebeten. Das sei auch bewilligt worden, allerdings musste Sickendiek ihre schriftliche Aussage korrigieren: Nicht am 4. August 2010, wie in ihrem persönlichen Kalender festgehalten, sondern einen Tag zuvor habe das Treffen in Bonn stattgefunden. Die Einladung hierzu war bereits am 21. Juli erfolgt.
Auf informeller Ebene habe man sich deswegen bewegen wollen, weil man als Verband nichts kommentiere, was die eigenen Mitglieder nicht direkt betreffe, so Sickendiek. Die Anfrage sei vom Vorstand beschlossen worden, der Termin als solcher aber nicht intern kommentiert worden. „Nach außen sowieso nie.“
Da weder Vorstandschef Dr. Thomas Trümper noch sein Vize Ralph-D. Schüller an dem entsprechenden Tag konnten, wurde Sickendiek von Vorstandsmitglied Ulrich Kehr (Richard Kehr) nach Bonn begleitet. Ansonsten wusste laut Sickendiek niemand von dem Treffen – außer zwei Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, die aber „keine Befugnis haben, mit jemandem von außerhalb zu sprechen“. „Die Vorstandsmitglieder wissen auch zu schweigen.“
Umso überraschter war Sickendiek, als sie ein, zwei Tage später von APOTHEKE ADHOC angerufen wurde. Die Phagro-Geschäftsführerin kam gerade von einem weiteren Treffen im BMG, bei dem Trümper, Schüller und sie mit Staatssekretär Stefan Kapferer über die geplante Umstellung des Großhandelshonorars gesprochen hatten.
„Mir wäre das Telefon fast aus der Hand und auf die Gleise gefallen“, erinnerte sich Sickendiek. Wie konnte die Presse von dem Termin wissen, der gerade erst stattgefunden und außerdem geheim gehalten wurde? Schon länger habe man sich im Verband darüber gewundert, dass immer wieder Interna aus dem BMG veröffentlicht wurden. Über die ApBetrO hinaus konnte Sickendiek allerdings keine weiteren Fälle mehr nennen.
Damals habe man vermutet, dass jemand aus dem BMG gezielt Informationen durchsteche. Auf das Insistieren der Verteidiger und Anordnung des Vorsitzenden nannte sie dann Michael Meier, der im Referat 113 für Apothekenthemen zuständig gewesen sei und auch an der informellen Besprechung teilgenommen habe. Wieso sie ihn in Verdacht gehabt habe, sagte sie nicht. Auch daran, dass sie den ehemaligen Pressesprecher des BMG, Christian Lipicki, laut einem anderen Zeugen aus dem Ministerium zufolge einmal als vermeintlichen Maulwurf genannt hatte, konnte sie sich nicht erinnern. Sie schließe das aber aus, da sie die betroffene Person gar nicht gekannt habe.
Was denn nun bei dem Geheimtreffen besprochen wurde, wollte die Verteidigung wissen. Seinerzeit sei ja darüber diskutiert worden, das OTC-Geschäft einzuschränken und Apotheken mehr auf den rezeptpflichtigen Bereich zu fokussieren, so Sickendiek. Es sei um die Frage gegangen, ob Apotheken „moderner werden oder traditionell bleiben“ sollten. Und das hätte auch den Großhandel betroffen: Von Rx-Medikamenten alleine, und das sei ein sehr wichtiger Punkt, könne aber auch der Großhandel nicht leben.
Bei dem Treffen in Bonn sei über den nicht autorisierten Entwurf gesprochen worden: Die BMG-Mitarbeiter hätten über ihre Pläne referiert, danach habe man sich ausgetauscht. Unterlagen seien keine übergeben worden, den – damals bereits als Download kursierenden – Entwurf kannte sie nach eigenen Angaben auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Handschriftliche Mitschriften habe sie aber angefertigt. Am Ende seien sich alle Teilnehmer einig gewesen, dass über das Treffen nicht berichtet wird.
Im achtköpfigen Phagro-Vorstand wurde dennoch mündlich über das Treffen berichtet. Auch bei der Mitgliederversammlung sei sie kurz darauf eingegangen, allerdings ohne Details zu nennen oder Unterlagen zu verteilen. Ob der Entwurf damals schon offiziell vorgestellt wurde, wusste Sickendiek nicht mehr.
Ob der Phagro sich im weiteren Verlauf auch offiziell zur ApBetrO geäußert habe, konnte Sickendiek nicht mehr sagen. Sicher sei man bei der Anhörung gewesen, ob man aber auch eine mündliche oder schriftliche Stellungnahme abgegeben habe, könne sie nicht mehr sagen.
Informelle Gespräche mit einzelnen Referaten im BMG führt der Phagro zwar regelmäßig, „ohne das groß an die Glocke zu hängen“, unautorisierte Entwürfe gebe es im Verband aber nie. Jedenfalls könnte sie sich daran nicht erinnern.
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