Mehr Kosten, weniger Vergütung: Der Vorsitzende des Großhandelsverbands Phagro, Dr. Thomas Trümper, kritisiert, dass seine Branche seit Jahren von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt sei. Darin sieht er den Großhandel in einem Boot mit den Apothekern – beide leiden unter den derzeitigen Gegebenheiten. Ärger bereiteten beiden Handelspartnern zudem die Rabattverträge: Im vergangenen Jahr hätten diese für einen zusätzlichen Aufwand in Höhe von 65 Millionen Euro gesorgt. „Dieser Aufwand ist durch die Marge zweifelsfrei nicht gedeckt“, so Trümper beim Großhandelstag in Berlin.
Auch an anderer Stelle steigen laut Trümper die Kosten: Er verwies etwa auf das Projekt Securpharm und das Mindestlohngesetz. Dieses treffe weniger den Großhandel selbst, aber viele Dienstleistungen, die bislang „ohne Murren“ übernommen worden seien. Vor diesem Hintergrund warnte Trümper davor, dass die Leistungsbereitschaft des Großhandels ausgenutzt werde.
Mit Blick auf das AMNOG und die damit angepasste Großhandelsvergütung verwies Trümper darauf, dass sich der Markt anders entwickelt habe als damals prognostiziert. Der Gesetzgeber sei von einer Steigerung der Packungszahl um jährlich 5 Prozent ausgegangen, tatsächlich sei die Packungszahl aber seit vier Jahren nur um insgesamt 2,3 gewachsen. Die Pauschale von 70 Cent pro Packung passe daher nicht mehr – zumal es inzwischen auch deutlich mehr Betäubungsmittel, kühlpflichtige und kühlkettenpflichtige Arzneimittel gebe.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wies in seinem Grußwort darauf hin, dass das AMNOG als lernendes System zu verstehen sei. Trümper gab dem Minister mit auf den Weg, dass dabei auch Dinge Beachtung finden sollten wie etwa die Lohnsteigerungen im Großhandel – rund 12 Prozent in den vergangenen drei bis vier Jahren. Aus seiner Sicht wurden Industrie und Apotheken in den vergangenen Jahren zumindest teilweise entlastet, während der Großhandel stillschweigend übergangen worden sei.
Dem stimmte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), nur bedingt zu – schließlich sei der Mehraufwand durch die Rechenmethode nicht beachtet worden. Auch er sah allerdings Punkte, in denen Großhändler und Apotheker „gemeinsam leiden“, etwa beim Thema Lieferengpässe: Erst sei der Großhandel betroffen, und – wenn der keinen Erfolg habe – müssten die Apotheken dafür sorgen, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe würden. Auch Becker sieht Großhandel wie Apotheken bei der Vergütung von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf.“
Becker appellierte an die Politik: Wer eine herausragende Arzneimittelversorgung wolle, müsse die wirtschaftliche Basis dafür schaffen. Die Versorgung müsse in ganzer Breite angegangen werden. Dazu gehöre auch der Verzicht auf unnötige Regelungen, so Becker mit Blick auf die Importquote.
Darauf ging Gröhe zwar nicht ein, er erklärte aber, der Parallelvertrieb solle insgesamt sicherer werden – dazu sei er bereits im Gespräch mit dem zuständigen EU-Kommissar gewesen. Man setze sich dafür ein, Lösungen im europäischen Rechtsrahmen zu finden. Zum Schutz vor Fälschungen setzt Gröhe auf die Kennzeichnung von Arzneimitteln im Rahmen von Securpharm, die aus seiner Sicht einen „wesentlichen Beitrag“ zu Sicherheit darstellt.
Darüber hinaus sprach Gröhe vor allem über die geplante Antibiotika-Strategie, Lieferengpässe und den Pharmastandort Deutschland ein. Er räumte ein, dass die Hersteller verlässliche Rahmenbedingungen brauchen, um Produkte zu entwickeln. Innovationen müssten Patienten schnell zur Verfügung stehen, aber auch nachhaltig sein. „Innovation muss sich am Nutzen für die Patienten beweisen“, so Gröhe.
Die Bewertung von Arzneimitteln griff Stefan Oelrich, Vorstandsmitglied des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA), auf. Er forderte weitere Verbesserungen am AMNOG. Besonders die „Dominanz“ des GKV-Spitzenverbands bei der frühen Nutzenbewertung und in den Preisverhandlungen ist den Herstellern ein Dorn im Auge. Die Kassen seien „Regelgeber, Schiedsrichter und Spieler auf allen Stufen des AMNOG-Verfahrens“, kritisierte Oelrich. Dies stehe einer fairen Nutzenbewertung diametral entgegen.
Wolfgang Späth, Vorsitzender des Branchenverbands Pro Generika, kritisierte besonders das inzwischen bedrohliche Ausmaß von Rabatten: 2014 hätten die Rabattverträge den Kassen 3,15 Milliarden Euro gespart – das sei weniger, als die Hersteller netto für ihre Produkte erhalten hätten. Außerdem erhöhe sich durch die Verträge die Volatilität des Marktes. „Schnelldreher“ könnten in wenigen Tagen zu „Auslaufartikeln“ werden, und besonders zum Start neuer Verträge gebe es immer wieder Anlaufschwierigkeiten und Versorgungsprobleme.
Dr. Martin Zentgraf, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), appellierte an die Vertreter der Handelsstufen, über Debatten um die Ressourcenverteilung nicht das Miteinander zu vergessen. Man müsse aufpassen, sich durch politische Manöver nicht auseinander dividieren zu lassen.
Vor der Trivialisierung von OTC-Arzneimitteln warnte schließlich Jörg Wieczorek, Vorsitzender des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Denn in dem Switch von Rx- zu OTC-Arzneimitteln sieht er eine Chance, mit Arzneimitteln statt an Arzneimitteln zu sparen. Fast jede zweite abgegebene Packung sei bereits ein OTC-Präparat – in der Öffentlichkeit würden diese jedoch stark trivialisiert. Es gebe einen Trend zu bunter Werbung, und da nehme er Apotheker, Großhandel und Hersteller nicht aus. Es gehe aber um eine ethische Herangehensweise, betonte Wieczorek.
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