PGEU

Krisengipfel der EU-Apotheker

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Berlin -

Griechenland gilt mittlerweile als Inbegriff für die europäische Krise. Während die Bevölkerung unter massiven Spar- und Reformpaketen leidet, stranden täglich tausende Flüchtlinge an den Küsten, die auf ihrem Weg in den Norden versorgt werden müssen. Führende Vertreter von Apothekerkammern und -verbänden aus den Mitgliedstaaten haben sich am Wochenende in Athen über die aktuelle Lage informiert – und über die möglichen Folgen insbesondere der geplanten Liberalisierung für den Berufsstand in ganz Europa diskutiert.

Die Flüchtlingskrise könnte Experten zufolge die Finanzprobleme der EU über kurz oder lang verschärfen. Das könnten auch die Apotheker zu spüren bekommen, warnen Vertreter des Berufsstandes. Denn wenn sich die Sozialkassen leeren, lassen Forderungen nach einer Liberalisierung der Märkte nicht lange auf sich warten.

Die neue Macht der Ökonomen bekommen gerade die Pharmazeuten in Italien zu spüren: In dieser oder in der kommenden Woche wird im Parlament über die geplante Aufhebung des Mehrbesitzverbotes abgestimmt – Minimalziel des einst so stolzen Berufsstands ist es derzeit, möglichst viele Wirkstoffe in der Apotheke zu halten.

Auch in Griechenland lautet die Frage nicht mehr, ob der Apothekenmarkt liberalisiert wird – sondern wie. Die Troika hatte Athen auf der Basis eines umstrittenen OECD-Gutachtens schon vor mehr als einem Jahr die Deregulierung ins Pflichtenheft geschriebennur wegen der anstehenden Neuwahlen liegt die Umsetzung noch auf Eis.

Die Argumente der griechischen Apotheker sind einleuchtend – finden aber kein Gehör. Wenn schon Renten gekürzt werden, warum sollen dann keine Ketten erlaubt oder OTC-Medikamente in den Supermarkt entlassen werden? Dass Griechenland die höchste Apothekendichte in ganz Europa hat und selbst auf der kleinsten Insel die Arzneimittelversorgung – oft durch persönlichen Einsatz des Apothekers vor Ort – gewährleistet wird, ist für die Eurokraten und ihre Berater irrelevant. Die derzeitige politische Unsicherheit bringt den Kollegen auf der Ägäis vor allem eins: Zeit, um sich vorzubereiten.

Beim EU-Apothekerverband PGEU sieht man mit Sorge, wie die Krise die Pharmazeuten in den südlichen Ländern überrollt – und die Liberalisierungsmaßnahmen auch in anderen Ländern als Vorbild genommen werden. Am Wochenende trafen sich in Athen Delegierte aus 18 Mitgliedstaaten zum Krisengipfel unter dem Motto „Future changes in the pharmaceutical sector in Greece and Europe“. Für Deutschland war ABDA-Vize Mathias Arnold dabei.

Auf der Tagesordnung standen Vorträge zur aktuellen Lage in Griechenland, aber auch Analysen der Deregulierung in Schweden und der Reregulierung in Ungarn. Außerdem gab es Erfahrungsberichte aus liberalisierten Länden wie Großbritannien, Tschechien, Rumänien und Belgien sowie Vorträge zur aktuellen Entwicklung in Italien und Frankreich.

Ironie der Geschichte: Während es zunehmend valide Erkenntnisse gibt, dass die Liberalisierung nicht die erhofften Wirkungen entfaltet und sogar Nebenwirkungen hat, rückt das Thema wegen der Krise wieder auf die Tagesordnung. Zuletzt mussten sich die Apotheker in Frankreich gegen entsprechende Vorstöße ihrer Wettbewerbshüter wehren.

Die PGEU will nun die Untersuchungen aufarbeiten und den OECD-Experten und anderen Entscheidern an die Hand geben, die sich bislang für die Bedenken nicht interessiert haben. Das Problem ist, dass sich alle Ergebnisse relativieren lassen: In Schweden wurde ein staatliches System aufgegeben, auch britische Patienten leben trotz Apothekenketten noch und Ungarn taugt als „schwarzes Schaf“ innerhalb der EU sowieso nicht als Vorbild.

Eine Resolution gab es trotzdem: Im Sinne des Gesundheitsschutzes müsse die Unabhängigkeit bei der Berufsausübung gewährleistet werden, heißt es einer gemeinsamen Stellungnahme der PGEU-Delegierten. Der Zugang zu Apotheken müsse geschützt und die professionelle und persönliche Versorgung der Patienten über finanzielle Interessen möglicher Investoren gestellt werden.

Dieses Bekenntnis ist nicht neu – die Frage ist, wie es ausgelegt werden wird, wenn weitere Apothekenmärkte „kippen“. Die neue PGEU-Generalsekretärin Jurate Svarcaite sieht den Berufsstand jedenfalls nicht vor einer Identitätskrise: Wenn sich eine Liberalisierung schon politisch nicht verhindern lasse, müsse man jedenfalls für das richtige regulatorische Umfeld sorgen.

Svarcaite sieht auch die Apothekerkammern und -verbände in der Pflicht, die selbstständigen Apotheker im Fall der Fälle zu unterstützen. Portugal sei ein Beispiel, wo die von der EU geforderte Liberalisierung durch dezidierte Regeln abgefedert werden konnte.

Auch beim griechischen Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos wurden die Apotheker vorstellig, um ihn vor den Folgen einer Liberalisierung zu warnen. Angesprochen wurden auch die Zahlungsprobleme der staatlichen Krankenversicherung Eopyy und die Herausforderungen, die sich aus der Flüchtlingskrise ergeben.

Man sei bereit, seinen Beitrag zu leisten, nicht nur in Griechenland, sondern in allen Ländern Europas, so Svarcaite. Da das System aber an seine Belastungsgrenze stoßen könnte, werde man auch Unterstützung einfordern müssen. Die PGEU selbst will prüfen, inwiefern sie zentral die Hilfsorganisation Pharmaciens sans frontières (PSFCI) unterstützen kann.

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