„Wer sein Leben lang gearbeitet und eine durchschnittliche Rente erworben hat, soll wegen der Kosten der Pflegebedürftigkeit nicht zum Sozialamt gehen müssen“, heißt es im Entwurf zum Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG). Doch die Rechnung der sozialen Grundsicherung scheint nicht aufzugehen, denn schon im Februar könnte die Pflegeversicherung zahlungsunfähig sein, wenn nicht vorher eingegriffen wird – berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
„Dass die Pflegeversicherung aber sowohl kurzfristig wie auch strukturell Schwierigkeiten hat, ist bekannt“, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). „Das hat der Bundesgesundheitsminister mehrfach in der jüngsten Vergangenheit betont.“ Das habe im Wesentlichen drei Gründe: Mit der jüngsten Pflegereform haben wir die Pflegebedürftigen in Heimen erheblich entlastet, Pflegekräfte bekommen höhere Löhne, und es gibt mehr Pflegebedürftige als angenommen. Deswegen werde der Minister wie angekündigt in Kürze ein Finanzkonzept vorlegen, um sowohl kurz- wie langfristig die Pflegeversicherung wieder auf stabilere Füße zu stellen.
Das BMG sieht die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung aber nicht bedroht. „Die Pflegeversicherung ist nicht pleite. Dafür wird der Gesetzgeber sorgen“, so eine Sprecherin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will sich heute selbst noch zum Thema äußern.
Finanziert wird die gesetzliche Pflegeversicherung im Umlageverfahren – Beitragseinnahmen eines Jahres werden für die Ausgaben desselben Jahres verwendet. Und hier liegt ein Problem: Denn der demographische Wandel sorgt für weniger Einnahmen durch Beitragszahlende aber für mehr Ausgaben durch die Babyboomer, die zu Leistungsempfänger:innen werden. Die Folge: Einnahmen und Ausgaben gehen auseinander.
Zudem verschärft das PUEG die Lage; in der Folge sind die Empfängerzahlen und somit die Ausgaben der Pflegeversicherung sowie die Löhne in der Pflege stark gestiegen. Für 2024 rechnen die Pflegekassen laut RND mit einem Defizit von 1,5 Milliarden Euro, für 2025 mit 3,5 Milliarden Euro. Das PUEG war nicht ausreichend finanziert; die Beitragsanhebung war zwar kräftig, aber dennoch nicht genug.
Derzeit gilt in der Pflegeversicherung ein allgemeiner Beitragssatz von 3,4 Prozent. Kinderlose zahlen 4 Prozent. Möglich sind eine Beitragserhöhung von 0,3 Punkten sowie eine Beitragsanstieg bei der Krankenversicherung um 0,7 Prozentpunkte. Auf Beschäftigte mit einem Einkommen von 3500 Euro kommt somit eine Mehrbelastung von 17,50 Euro im Monat oder 210 Euro im Jahr zu.
Bis zum 31. Mai sollten unter Leitung des BMG Empfehlungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung vorgelegt werden. Zwei externe Studien wurden in Auftrag gegeben.
Die Gesamtausgaben der sozialen Pflegeversicherung lagen im Jahr 2023 bei rund 59,2 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die ambulanten Leistungen beliefen sich auf rund 36,2 Milliarden Euro, für stationäre Leistungen auf rund 19,7 Milliarden Euro. Seit 2017 ist die Zahl der Pflegebedürftigen durchschnittlich um etwa 300.000 Personen pro Jahr angestiegen.
Demografiebedingt und abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung werde im Teilleistungssystem mit werterhaltender Dynamisierung für Pflegebedürftige langfristig eine Finanzierungslücke von 0,5 bis 2,6 Beitragssatzpunkten, im Mittel von 1,4 Beitragssatzpunkten, entstehen, heißt es im Gutachten „Zukunftssichere Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung – Darstellung von Szenarien und Stellschrauben möglicher Reformen“, das dem Bundestag Mitte August vorgelegt wurde. Der mittlere Wert entspreche in „heutigen Preisen“ rund 24 Milliarden Euro.
Liegt die Pflegeprävalenz in den nächsten 15 Jahren weiterhin über dem demografiebedingt erwartetem Niveau und fällt die Lohnentwicklung schwach aus, kann auch ohne weitere Leistungsverbesserungen ab dem Jahr 2028 eine Finanzierungslücke von 0,6 Beitragssatzpunkten im Jahr 2060 entstehen.
„Eine fehlende oder nicht ausreichende Dynamisierung ginge mit einer systematischen, dauerhaften Entwertung der Pflegeversicherungsleistungen und einer steigenden finanziellen Belastung der pflegebedürftigen Menschen einher.“
Bei werterhaltender Dynamisierung und mittleren Annahmen bei Lohnentwicklung und Pflegeprävalenz für das Jahr 2060 ergibt sich rechnerisch ein ausgabendeckender Beitragssatz von 4,6 Prozent (1,4 Prozentpunkte höher als im Basisjahr 2022 mit 3,2 Prozent).
Fällt die Dynamisierung nur in Höhe der Inflationsrate aus – und sonst gleichen Annahmen wie im Basisszenario – steigt der rechnerisch erforderliche Beitragssatz weniger stark auf 3,9 Prozent an, wobei gleichzeitig der Eigenanteil um etwa ein Drittel stärker steigt. Die niedrigere Dynamisierung führt somit zu einer nur halb so hohen Finanzierungslücke von 0,7 Beitragssatzpunkten. Ohne eine Dynamisierung nach 2028 würde der Beitragssatz sogar auf 2,8 Prozent absinken. Der Eigenanteil würde aufgrund der fehlenden Dynamisierung jedoch um 75 Prozent höher ausfallen.
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