Große Resonanz bei Apothekenkunden

Petition: „Damit wir unseren Job behalten, den wir lieben“ Laura Schulz, 15.07.2024 14:28 Uhr

Für die Petition des HAV gibt es breite Unterstützung. Viele Inhaber:innen sammeln Unterschriften bei den Kund:innen vor Ort. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Der „hessische Weg“, sich zunächst in Form von zwei Protesttagen Gehör zu verschaffen, um anschließend bundesweit Unterstützer:innen für eine öffentliche Petition zu gewinnen, scheint aufzugehen. Derzeit beteiligen sich Apotheken in ganz Deutschland an der Aktion des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), auch über die einzelnen Zusammenschlüsse hinweg. „Wir waren sehr überrascht, wie groß die Resonanz ist“, heißt es dazu unter anderem aus den unterstützenden Apotheken.

Mehr als 60.700 Unterschriften konnte die Petition, die an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gerichtet ist, bereits sammeln. Dabei ist es auch förderlich, dass die Petition auch ausgedruckt in Form von Listen in den Apotheken unterstützt werden kann. Viele Apotheken nutzen diese Möglichkeit bei ihrer zumeist älteren Kundschaft. Über den HAV können die Unterschriften aus den Papierlisten dann bei OpenPetition hochgeladen werden und tragen zur Gesamtzahl bei.

Übernahme nicht unter diesen Bedingungen

So macht sich auch die Engel-Apotheke aus Buxtehude für die Petition stark. Inhaberin Christina Betzler sei gerade auf vielen Ebenen aktiv, um dagegen anzukommen, was das BMG mit den Apotheken vorhat, berichtet ihre Tochter Elisabeth. Sie ist ebenfalls Apothekerin und wollte die Apotheken ihrer Mutter eigentlich irgendwann übernehmen – „weil das ein wunderschöner Job ist“. Doch die Schwierigkeiten nehmen zu und unter den aktuellen Bedingungen wird es für die junge Apothekerin immer unwahrscheinlicher, dass sie sich selbstständig machen möchte mit einer öffentlichen Apotheke. „Ich sehe ja, wie meine Mutter zu kämpfen hat.“

Damit es irgendwann vielleicht doch wieder besser aussieht für die nachkommenden Generationen, legt Inhaberin Betzler in ihren beiden Apotheken die Listen zum Unterschriftensammeln aus. Auch der Link wird immer wieder geteilt, aber über die Listen funktioniere das besser, berichtet die Tochter. „Wir waren sehr überrascht, wie groß die Resonanz ist.“ Aktiv angesprochen werden die Kund:innen dabei nicht. „Aber etwa jeder vierte oder fünfte Kunde spricht uns auf die Listen an. Die Kunden sind dann verwundert, wie kritisch die Lage ist.“ Am Ende unterschrieben eigentlich alle. Die für die Petition ausgelegten Listen seien damit „ein schöner Einstieg, um über die Reformpläne zu sprechen“.

Das Feedback der Kund:innen auf die Aktion stimmt also, für die junge Apothekerin ist dies zudem eine gute Möglichkeit, auf die aktuelle Schieflage hinzuweisen. Sie und ihre Mutter unterstützen die Petition gerne, „damit wir unseren Job behalten, den wir lieben“. Sollte alles bleiben wie bisher oder die Reform die Lage sogar zuspitzen, sei eine der beiden Apotheken der Familie stark gefährdet. „Bei einer wissen wir nicht, ob wir die weiter behalten können – meine Mutter baut das seit 20 Jahren auf.“

„Endlich wird was gemacht“

„Natürlich“ unterstützt auch Inhaber Christian Heidel die Petition – in seiner Leipziger Aesculap-Apotheke genauso wie in der Filiale. Zuletzt habe auch der Sächsische Apothekerverband (SAV) auf darauf hingewiesen, aber Heidel war da schon an Bord. „Es ist höchste Eisenbahn, dass da endlich was gemacht wird. Es ist schon 5 nach 12! Da geht ja sonst der ganze Berufsstand krachen“, meint der Inhaber. Er hätte sich gewünscht, dass an dieser Stelle mehr über die Abda möglich gewesen wäre, versteht aber auch, dass diese bei Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ohnehin auf Granit beißen. Daher sei die Petition nun eine gute Möglichkeit, damit alle trommeln könnten.

„Wir werden von den Patienten angesprochen“, berichtet Heidel über den Verlauf der Unterschriftensammlung in seiner Apotheke. Von den Kund:innen werde das Thema positiv aufgenommen. Bittet er im privaten Umfeld hingegen um Unterstützung, komme da schon ab und an der Verweis auf den Versandhandel. Dann versucht der Inhaber immer wieder, über die Hintergründe aufzuklären.

Aber Heidel freut sich, dass das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) nun zumindest offenbar erst einmal von der Agenda der kommenden Kabinettssitzung gestrichen wurde. „Das ist gut, wenn das erst mal nicht so durchgewunken wird.“ Schließlich seien viele Politiker:innen auf der Seite der Apothekerschaft – „nur eben Lauterbach nicht“. Der Versand könne die wegsterbenden Apotheken nicht ersetzen. Heidel betreut auch Substitutionspatient:innen – „wer soll das übernehmen?“, fragt er.

Da könne diese Reform nicht die Lösung sein, auch wenn man in andere Länder schaue, an deren Systemen sich Lauterbach offenbar orientierte und die alles andere als rund liefen. „‚Light‘ ist nicht zu Ende gedacht. Warum soll dieser Beruf und das funktionierende System zerstört werden?“

„Hoffentlich bleibt nichts übrig“

Peter Widmann aus der Löwen Apotheke in Maintal stemmt sich ebenfalls per Petition gegen das Reformvorhaben. „Die Kunden nehmen das an“; mehr als 100 Unterschriften habe er nun in anderthalb Wochen gesammelt. Hinzu kämen die, die sich den QR-Code abscannen und direkt online unterschreiben. „Vielleicht werden es ja noch 100.000.“ Für Widmann wäre das zumindest ein angebrachtes Zeichen nach Berlin. Auch an den beiden Protesttagen hat sich der Hesse beteiligt. Die Kund:innen hatten Verständnis.

Auf die Petition wird bei Widmann an jedem Kassenplatz hingewiesen. Nicht mit jeder Kundin und jedem Kunden käme man dazu im Alltagsgeschäft ins Gespräch, immer wieder wird aber um Unterstützung bei der Kundschaft gebeten. „Am liebsten möchten man gar nicht so weit denken“, was passiere, sollte die Reform so kommen, wie geplant. Eins sei aber sicher: „Wenn das kommt, wird’s nicht besser.“ Die Umverteilung der Gelder sei eine Milchmädchenrechnung, am Ende stehe sogar ein Minus unter dem Strich.

Überall gebe es Inflationsausgleich, höhere Diäten für Abgeordnete, aber bei den Apotheken könne nichts draufgelegt werden – nicht nachvollziehbar für den Apotheker. Das Resultat seien unter anderem in die Industrie abwandernde Fachkräfte, weil die Inhaber:innen einfach nicht mehr Gehalt zahlen können. Bei einer Apotheke im Umkreis habe es zuletzt eine Übernahme einer gut laufenden Apotheke gegeben und nun musste die Inhaberin doch Insolvenz anmelden.

Noch sei das letzte Wort nicht gesprochen, Veränderungen an den Reformplänen sind so gut wie sicher: „Mal sehen, was übrig bleibt. Hoffentlich gar nichts! Da ist nichts drin, was einem Apotheker hilft, der seine Apotheke wirtschaftlich betreiben will“, meint Widmann. Er würde am liebsten einmal beim Kassenabschlag und dem gesamten Verwaltungsapparat der Krankenkassen ansetzen, um wieder mehr Geld ins System der Apotheken zu bekommen.