Der Lunapharm-Skandal hat eine neue Diskussion über den Import von Arzneimitteln ausgelöst: Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), will die Importquote abschaffen. Eine Petition dazu hat Dr. Gabriele Röscheisen-Pfeifer aus Oldenburg gestartet. Ihr Kollege Dr. Johannes Dücker aus Bad Harzburg will die Importquote dagegen verdoppeln. Aktuell liegt die Petition der Apothekerin mit 824 zu 140 Unterschriften vorne.
„Die verpflichtende Importquote für Apotheken muss aus Gründen der Arzneimittelsicherheit aus dem Gesetz gestrichen werden“, lautet die Petition von Röscheisen-Pfeifer. Die Inhaberin der Dobben-Apotheke moniert, dass sie und ihre Kollegen gesetzlich gezwungen würden, einen prozentualen Anteil von mindestens 5 Prozent des Fertigarzneimittelumsatzes als Importe abzugeben, um Kosten für die Krankenkassen zu sparen. Die verlängerte Lieferkette weise ein enormes Potential an Sicherheitslücken im Ausland auf: „Fälschungen, Fehler bei der Lagerung und Transport können die Apotheken in Deutschland nicht mehr erkennen. Trotz dieser großen Gefahr und trotz wiederholter Kritik ist die Importquote noch immer gesetzlich vorgeschrieben“, begründet die Apothekerin ihre Petition.
Dücker hält kurz und knapp mit seiner Petition dagegen: „Ich fordere die Erhöhung der Importquote laut Rahmenvertrag zum §129 SGB V auf 10 Prozent“, heißt sein Antrag. Durch Importe würden Wirtschaftslichkeitsreserven gehoben, die durch eine Verdopplung der Quote noch gesteigert werden könnten. Dies käme der Versichertengemeinschaft zugute. Importe seien qualitativ hochwertige Originale, die kostengünstig seien. Die eingesparten Beträge entlasten bei gleicher Versorgungsqualität das Solidarsystem, auf dem unser Gesundheitswesen beruhe.
Der Inhaber der Schloss–Apotheke selbst hat seit Jahren positive Erfahrungen mit Importen gemacht: „Mir ist noch keine vergammelte Arzneimittelpackung untergekommen“, sagt der 65-jährige Apotheker. Früher hätten sich die Packungen von Importen schon äußerlich von Originalen unterschieden. Aber heute seinen die Packungen auf qualitativ gleichwertigem Niveau. Die negative Haltung des DAV zu Importen kann Dücker nicht verstehen: „Für Apotheken ist der Import wirtschaftlich interessant – vor allem bei hochpreisigen Arzneimitteln. Da ist der Rohgewinn pro Packung doch deutlich höher.“
Weil der ABDA sonst nichts einfalle, um die aufgewühlte Apothekenszene zu beruhigen, habe sich der DAV jetzt die „alte Schimäre“ Importquote aus der Mottenkiste geholt, schimpft Dücker. Damit entziehe die ABDA den Apotheken weiter die Basis ihrer Wirtschaftlichkeit. „Sie stürzen sich auf ein bei den Apothekern ungeliebtes Kind“, so Dücker. Das Argument Arzneimittelsicherheit will Dücker nicht akzeptieren. Ab Februar 2019 seien mit Securpharm doch alle Einfalltore geschlossen: „Die ABDA sollte im Vorfeld daher nicht alles kaputt schlagen.“
In Dückers Apotheke spielen Importe eine wichtige Rolle: Nach seinen Angaben haben Import gemessen an der Rx-Packungszahl einen Anteil von 3 Prozent, nach Wert aber gut das Doppelte. Und auch die Rabatte bei seinen Importeuren seien höher als beim Großhandel.
„Ich lasse mich überraschen“, antwortet Dücker auf die Frage nach den Erfolgsaussichten seiner Petition. Es sei „wirklich gespannt“. „So etwas habe ich noch nicht gemacht“, erzählt er, aber das politische Feld den Gegnern überlassen wollte er nicht. Die Reimporteure hatten sich bereits 2010 für eine Verdopplung der Importquote stark gemacht.
In der Folge des Lunapharm-Skandals hatte Becker die Abschaffung der Importquote gefordert, weil diese ein „überholtes Kostendämpfungsinstrument“ sei. „Die Importquote ist ein mittlerweile überholtes Kostendämpfungsinstrument, das in Zeiten der Arzneimittel-Rabattverträge kaum noch Einsparungen erzielt“, wiederholte Becker die Argumente des ersten ABDA-Vorstoßes im Jahr 2014. „Die Erfüllung der Importquote verursacht nicht nur erheblichen bürokratischen Aufwand in der Apotheke, sondern gefährdet vor allem die Arzneimittelsicherheit für die Patienten.“
Chargenrückrufe seien keine Einzelfälle, so Becker. „Lange und grenzüberschreitende Lieferketten erhöhen das Risiko für das Einschleusen von gestohlenen und gefälschten Medikamenten. Jeder Apotheker braucht den Spielraum, um sich bei Sicherheitsbedenken im Einzelfall gegen ein Importmedikament entscheiden zu können.“
2017 wurden etwa sechs Millionen rezeptpflichtige Arzneimittel im Wert von 1,7 Milliarden Euro gemäß gesetzlicher Importquote an gesetzlich versicherte Patienten abgegeben, so die Berechnungen des ABDA-eigenen Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI).
Mit 4,8 Prozent wurde laut ABDA die Importquote im Durchschnitt aller Apothekenumsätze knapp erreicht. Auch die Einsparungen für die Kassen könnten nicht überzeugen. Unter Berücksichtigung der Herstellerabschläge wurden lediglich 120 Millionen Euro eingespart. Rabattverträge spülten den Kostenträgern zum Vergleich im Jahr 2017 vier Milliarden Euro in die Kassen.
Der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD) hält dagegen: Der jetzige Skandal habe mit dem legalen und politisch gewollten Arzneimittelhandel innerhalb der EU nichts zu tun. Stattdessen liege der Skandal „in den offenkundig illegalen Aktivitäten eines Kleinsthändlers und der mangelhaften Koordination und Kooperation der zuständigen Ermittlungs- beziehungsweise Aufsichtsbehörden“, konterte der Verband. Die gemeinsame Forderung von Becker nach einer Streichung der Importquote sei deshalb „weder sachgerecht noch zielführend und zeugt insgesamt von wenig Marktkenntnis des DAV-Vorsitzenden“. Die Zahl des DAPI könne man nicht nachvollziehen, nach Zahlen der Martktforschungsunternehmen liege die Quote – ungeachtet der Preisabstandsklausel – seit Jahren konstant bei mehr als 10 Prozent.
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