Ein Rx-Versandverbot ist nach Ansicht der SPD-Gesundheitsexperten Sabine Dittmar und Dr. Edgar Franke in dieser Legislaturperiode nicht umzusetzen. Um gleichlange Spieße für deutsche und ausländische Apotheken zu schaffen, sollen ihrer Meinung nach Boni bis zu einem Euro zugelassen werden. Die beiden Politiker beziehen sich auf das Heilmittelwerbegesetz (HWG) – offenbar in der alten, vor drei Jahren geänderten Form. Nach zwei Jahren soll Bilanz gezogen und das Honorar auf neue Füße gestellt werden.
Nach einem EuGH-Urteil finde in Deutschland kein fairer Wettbewerb statt, da ausländische Versandapotheken nicht mehr an die einheitlichen Apothekenabgabepreise gebunden seien, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Dittmar und Franke streben daher nach eigenem Bekunden eine pragmatische Lösung an.
Sie wollen den nach Heilmittelwerbegesetz (HWG) zulässigen Bagatellbonus von einem Euro im Sozialgesetzbuch (SGB V) verankern. Kleiner Flüchtigkeitsfehler: Die schwarz-gelbe Koalition hatte den Passus in Paragraf 7 HWG, auf den sich unter anderem der Bundesgerichtshof (BGH) bezogen hatte, vor drei Jahren modifiziert. Seitdem heißt es: „Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a [...] sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten.“
Die gesetzliche Neuregelung soll auf zwei Jahre befristet werden. In diesem Zeitrahmen soll eine Expertenkommission die wirtschaftliche Situation der Apotheken auf Grundlage einer Honorarstudie, die derzeit durchgeführt wird, sowie unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation im Apothekenmarkt, der Sicherstellung der Versorgung, der Einbindung der Apotheken in sektorenübergreifende Versorgungsmodelle und der Arzneimitteltherapiesicherheit evaluieren.
Franke und Dittmar sehen erhebliche verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Rx-Versandverbot. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) habe den Entwurf zweimal im Begründungsteil nachgebessert, ohne Fakten vorweisen zu können, dass das Verbot notwendig sei, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, so die Berichterstatterin und der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses.
Sie monieren auch, dass es für den Botendienst durch die vorgesehenen Regelungen zu einem organisatorischen Mehraufwand und insbesondere einem beträchtlichen Mehraufwand beim Einsatz von Fachpersonal kommen werde. Durch ein Versandhandelsverbot sei schließlich zu befürchten, dass die Versorgung von Patientengruppen mit speziellen Versorgungsbedarfen wie Spezialrezepturen sowie in den Bereichen Homecare und Palliativversorgung erschwert werde. Dasselbe gelte für infrastrukturschwache Gebiete ohne Apotheke.
Kritisch sehen die SPD-Abgeordneten aber auch den Zeithorizont: „Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzentwurf des BMG aufgrund der beschriebenen Verfahrensdauer der Diskontinuität unterliegt. Ein Versandhandelsverbot wird daher nicht zum Tragen kommen, so dass es in dieser Legislaturperiode keine Lösung für die ungleichen Wettbewerbsbedingungen gibt, die durch das EuGH Urteil entstanden sind.“
„Die vorgeschlagene Regelung ist ein rechtssicherer Kompromiss, mit dem alle leben könnten“, kommentiert Franke. „In der digitalen Welt von heute ist das Verbot des Versandhandels ein Rezept von gestern. Allerdings darf die Versandapotheke keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber der stationären Apotheke haben, weil diese sonst in ihrer Existenz bedroht sein könnte.“
„Mit der Änderung […] sorgen wir wieder für gleichlange Spieße im Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Versandapotheken und stationären Apotheken und liefern eine Lösung, die noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann“, so Dittmar.
Durch die Regelung über das SGB V sollen auch ausländische Versandapotheken erreicht werden, die sich als Partner des Rahmenvertrages an die Vorgaben halten müssten. Franke hatte sich frühzeitig für eine entsprechende Regelung samt Deckel stark gemacht; auch einige Juristen sehen SGB V und Rahmenvertrag als wirksamsten Hebel gegen das EuGH-Urteil.
Ob eine solche Regelung auch berufsrechtlich Bestand hätte, ist eine andere spannende Frage: Der BGH hatte klargestellt, dass die von ihm gezogene Bagatellgrenze rein wettbewerbsrechtlich zu sehen ist. Aus Sicht der Kammern kann jeder Verstoß gegen die Preisvorschriften geahndet werden. Nach dem EuGH-Urteil hatten Kammern und Aufsichtsbehörden noch einmal versichert, dass sie bei ihrer Nulltoleranz bleiben werden.
Zuletzt hatte das Bundessozialgericht (BSG) erklärt, dass es keine Rosinenpickerei im Preisrecht geben darf: „Ohne die Unterwerfung unter dieses Gesamtsystem erlangte die Klägerin Wettbewerbsvorteile, die nach der Rechtsprechung des EuGH für im Ausland ansässige Apotheken zwar gerechtfertigt sind. Das spricht aber nicht dafür, dass ausländischen Apotheken zusätzlich zu diesen Wettbewerbsvorteilen noch die sich aus dem deutschen Arzneimittelpreisrecht ergebenden Vorteile zu gewähren sind, solange diese Apotheken das Arzneimittelpreisrecht nicht insgesamt akzeptieren“, hieß es zum Thema Herstellerabschläge für DocMorris.
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