Urteilsverkündung

Paxlovid-Prozess: Freiheitsstrafe für Apotheker Sandra Piontek, 03.12.2024 15:15 Uhr

Für seinen Betrug mit Paxlovid wird ein Berliner Apotheker zur Rechenschaft gezogen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Vor dem Landgericht Berlin (LG) ging heute der Prozess zu illegalen Paxlovid-Verkäufen zu Ende. Der Apotheker aus Kreuzberg wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Apotheker wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zudem muss er für den Schaden in Höhe von 237.731 Euro aufkommen. Der Bund hatte das Präparat zwar für 665 Euro pro Packung eingekauft, das Gericht stufte den Restwert aber auf 88,02 Euro ein, „das ist die Strafrechtliche in dubio pro reo“. Im schlimmsten Falle hat der Apotheker aber noch damit zu rechnen, die Approbation zu verlieren.

Die Verteidigung hatte die Anhörung von weiteren Zeugen sowie ein Sachverständigengutachten beantragt. Der Staatsanwalt lehnte ab: „Die Verteidigung zielt darauf ab, dass der Absatzmarkt für Paxlovid zu berücksichtigen sei. Da Paxlovid aber nicht frei handelbar war, kann dies keine Berücksichtigung finden“, erklärte er. Das Gericht sah es ebenso, schlussendlich fand der Prozess daher mit der Urteilsverkündung seinen Abschluss.

Der Apotheker musste sich wegen besonders schwerer Untreue und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) verantworten. Nachdem sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zunächst weigerte, die Einkaufspreise öffentlich zu machen, wurde der Schaden doch konkretisiert. Zudem wurde eine Sachverständige hinzugezogen, um einen realistischen Marktpreis zu ermitteln.

Stefanie Weisner, Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin, war geladen. Sie selbst gab an, dass sie keinerlei pharmakologische Kenntnisse habe. Die Bewertungsmethodik für das Medikament war folgendermaßen: Alle zum Stichtag verfügbaren Daten – hier der 1. Januar 2023 – dienten als Grundlage. Auf dieser Basis wurden Szenarien erstellt, die unter anderem frühere Verkaufszahlen, mögliche Konkurrenzprodukte oder Änderungen in der Nachfrage einbezogen.

Sachverständige ohne Pharmakenntnisse

Für die Verteidigung war jedoch klar: „Die Methodik der Sachverständigen sollte nicht herangezogen werden, da diese nicht über pharmazeutische Fachkenntnisse verfügt.“ Man kritisierte: „Dabei haben vor allem auch die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen erheblich dazu beigetragen, dass Paxlovid nur einen schleppenden Absatz verzeichnete.“ Es sei Fakt, dass Weisner über keinerlei Pharmakenntnisse verfüge und zudem durch den Pandemieverlauf beeinflusst gewesen sei.

Deswegen hatte die Verteidigung zuletzt beantragt, ein Gutachten einer Sachverständigen mit Kenntnissen aus der Pharmaökonomie einzuholen. Zudem wurde vorgeschlagen, weitere Zeugen zu laden, die verdeutlichen sollten, dass der Marktwert des Corona-Medikamentes zum Tatzeitpunkt deutlich unter dem vom Bund angegebenen Wert lag. Auch die Steuerberaterin des Apothekers könne bei Bedarf von der Schweigepflicht entbunden werden, wenn dies dem Prozess zuträglich wäre, so die Verteidigung.

Heißt konkret: „Der Marktwert von Paxlovid belief sich im Jahr 2023 auf maximal 200 Euro pro Packung. Wir beantragen deshalb die Ladung von Dr. Sabine Gilliam, Vorsitzende der Geschäftsführung von Pfizer, oder insofern nicht verfügbar, Dr. Christian Lenz, Medizinischer Direktor von Pfizer Deutschland“, so die Verteidigung.

Die vorgeschlagenen Zeugen sollten aufgrund der pharmaökonomischen Expertise untermauern, dass der Marktwert von Paxlovid auch wegen der eingeschränkten Haltbarkeit deutlich niedriger anzusetzen sei als in der Stellungnahme von Thomas Müller, Abteilungsleiter im BMG, bekannt gemacht wurde. Dort hieß es: „Demnach zahlte der Bund tatsächlich 791 Euro brutto pro Packung.“

Auch der Umstand, dass von den insgesamt 366.100 ausgelieferten Therapieeinheiten zum Tatzeitpunkt noch etwa zwei Drittel beim Großhandel lagerten und wegen der eingeschränkten Haltbarkeit nicht mehr in Verkehr gebracht werden konnten, führte laut Verteidigung zu einer erheblichen Abwertung des Marktwertes. „Zudem war die Sieben-Tage-Inzidenz zum Tatzeitpunkt sinkend, die Hospitalisierungen gingen zurück, die Immunität der Bevölkerung stieg und es war auch keine große Winterwelle mehr erwartbar. Die Corona-Pandemie wurde außerdem zurückgestuft auf eine endemische Lage“, erklärte die Verteidigung.

Absatzmarkt ist nicht zu berücksichtigen

Der Staatsanwalt hatte in seiner Stellungnahme alle Anträge der Verteidigung abgelehnt. Denn: „Die Verteidigung stellt darauf ab, dass der Absatzmarkt zu berücksichtigen sei, aber dieser kann keine Berücksichtigung finden, da Paxlovid nicht frei handelbar war. Es war klar untersagt, dass Apotheken das Medikament verkaufen durften.“

Er erklärte weiterhin: „Der Kernvorwurf, in sechs Fällen den Verkauf Paxlovids an eine angeblich unbekannte Person getätigt zu haben, bleibt bestehen. Der Apotheker hat demzufolge 2701 Packungen zum Wert von 41,65 Euro verkauft. Knackpunkt ist nicht der Sachverhalt, sondern die Bewertung dessen.“ Der Apotheker habe sich klar strafbar gemacht, auch aufgrund der hohen Anzahl der verkauften Packungen. „Dies bestätigt auch die Aussage der Approbierten, die als Zeugin aussagte, dass die hohe Abgabe so eher nicht vorkommt“, erklärte der Staatsanwalt.

„Leichte Rechenaufgabe“

Somit sei die Tatbestandsvorraussetzung erfüllt, denn der Apotheker handelte mit Vorsatz. Mehr noch: „Für jeden Apothekenmitarbeiter war offensichtlich, dass Paxlovid einen höheren Wert gehabt haben musste. Der Apotheker weiß, wie sich normale Arzneimittelabgabepreise zusammensetzen. Es ist also eine leichte Rechenaufgabe.“

Zudem habe der Apotheker auch Dritten den unerlaubten Handel mit Paxlovid möglich gemacht und somit gravierend gegen das AMG verstoßen. Strafmildernd seien die Umstände, dass er Reue gezeigt habe, nie zuvor mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten und „vom ersten Augenblick an kooperativ“ gewesen sei.

Der Angeklagte selbst sagte kurz vor der Urteilsverkündung: „Ich schließe mich den Aussagen meines Anwaltes an. Es tut mir ehrlich leid. Ich bin Alleinverdiener der Familie, auch das hat dazu geführt, dass ich mir sehr schwere Vorwürfe mache, dass ich meine Familie in diese Situation gebracht habe.“