Die FDP will Apothekenketten zulassen – für viele Apotheker war der Beschluss auf dem Parteitag der Liberalen am 30. April ein Schock. Zwar hatte sich die FDP schon während ihrer Regierungsbeteiligung und danach in der „außerparlamentarischen Opposition“ nicht als „Klientelpartei“ geriert, doch der Beschluss hatte eine neue Qualität. Die Liberalen kehren den Apothekern den Rücken. Und die Apotheker tun es ihnen gleich: Im baden-württembergischen Rastatt tritt eine Apothekerin nach 34 Jahren Parteimitgliedschaft aus. Ihr Sohn, ebenfalls Apotheker, tritt ebenfalls aus und hat damit alle seine Parteiämter niedergelegt.
Sylvia Weimer-Hartmann ist 1983 in die FDP eingetreten. Damals hatten die Liberalen gerade die sozialliberale Koalition verlassen und ein Bündnis mit der Union geschmiedet. Eine harte Zerreißprobe für die Partei, erinnert sich Weimer-Hartmann. „Damals wollte ich ein Zeichen für die Koalition mit der CDU setzen und trat in die FDP ein.“ In Rastatt hat sich seit 1985 in den Ortsverband eingebracht „personell und finanziell“.
Immer wieder habe es in dieser langen Zeit auch Entscheidungen gegeben, mit denen sich die Apothekerin nicht anfreunden konnte. „Jedoch: die Grundlinie stimmte. Dies ist nun leider nicht mehr der Fall“, begründet sie ihren Austritt und verweist auf die Stellungnahme ihres Sohnes Stephan Hartmann.
Auch er hatte sich für die Partei eingesetzt, doch damit ist jetzt Schluss: „Wer meine Existenz vernichten will, den muss ich auch nicht wählen und für den muss ich mich auch nicht den Marktplatz stellen und mit Fähnchen winken“, so Hartmann gegenüber APOTHEKE ADHOC. Er schrieb an die Parteifreunde, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen sei: „Schon seit meiner Kindheit bin ich durch das positive Vorbild meiner Eltern ein treuer Verfechter der Werte der FDP und fühlte mich der Partei stets verbunden.“
Nach der schweren Wahlniederlage der FDP bei der Bundestagswahl 2013 habe er es als seine Pflicht gesehen, sich tatkräftig im Wiederaufbau und in der Neugestaltung der Partei zu engagieren. „Deutschland braucht ein Korrektiv, welches sich für die Wirtschaft einsetzt und sich einer Überregulierung, Bürgerbevormundung und der Überbürokratisierung wehrhaft entgegenstellt und damit die Zukunft der Bundesrepublik ermöglicht“, so Hartmann.
So kandierte er für die Gemeinderatswahlen in Rastatt, engagierte sich bei der Europawahl und übernahm zweimal das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Stadtverbandes Rastatt. Den Kreisverband Rastatt vertrat er als Delegierter bei Landesparteitagen und unterstützte die Landtagskandidatin als ihr Stellvertreter und Vorsitzender des Wahlkampf-Teams.
Doch damit ist jetzt Schluss: „Allerdings macht sich in der Partei eine zunehmende apothekerfeindliche Stimmung breit.“ Hartmann erinnert an die Aussagen von Parteichef Christian Lindner, dass es keinen „Naturschutz“ für Apotheker gäbe. Alle Äußerungen und Vorschläge in Richtung des Gesundheitsmarktes hätten nichts Gutes erahnen lassen – und die Befürchtungen seien beim Bundesparteitag „traurige Wahrheit geworden“.
Die unerklärliche Ablehnung des Rx-Versandverbots hätte Hartmann noch hingenommen. Die Forderung zur Abschaffung des Fremdbesitzverbots sei jedoch „schockierend, unnötig und entbehrt jedweder logischen Grundlage“. Die möglichen Konsequenzen für das Gesundheitswesen und den Mittelstand wären sicherlich kaum einem Delegierten bewusst gewesen. „Ein Wahlprogramm ist ein Wahlprogramm und damit sind auch ein Aufschrei unter den Apothekern, ein Schreiben an das Präsidium und Diskussionen mit Parteifreunden wirkungslos“, so Hartmann.
Einem Parteiprogramm müsse man nicht immer in allen Punkten zustimmen. Doch er könne keine Partei unterstützen die, deren Entscheidungen gegen die eigene Überzeugung gingen und seine Existenz gefährdeten. Seine aktiven Parteifreunde in Rastatt und Bühl lasse er nur ungern im Stich, „ich sehe aber für mich keine andere Wahl“.
Sylvia Weimer-Hartmann hatte in ihrem Schreiben noch ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, wie die Entscheidung zum Fremdbesitzverbot abgelaufen war. „Wenn man weiß, dass alle Anträge für einen Parteitag rechtzeitig bei der Partei eingereicht werden müssen inklusive Begründung und Abwägung, wenn man einmal erlebt hat, wie über jedes Komma heftig diskutiert wird, erscheint der beinahe ‚handstreichartige‘ Vorgang geradezu unglaublich“, so die Apothekerin.
Weimer-Hartmann macht grundsätzlich „die Tendenz der FDP große Sorgen, aus lauter Angst vor dem Stempel ‚Klientelpolitik‘ gegen den (kleinen) Mittelstand und die Selbstständigen wie Ärzte, Rechtsanwälte – und eben auch Apotheker – Politik zu machen“. Gerade die Selbstständigen seien die tragende Säule dieser Partei. „So trete ich nicht nur als Apothekerin aus der FDP aus, sondern auch als Unternehmerin einer mittelständischen Firma mit 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ich bedaure sehr, dass die FDP nicht mehr ‚unsere Partei‘ ist“, schrieb Weimer-Hartmann.
Trotz der klaren Worte und des Doppel-Austritts sehen die Hartmanns das Tischtuch nicht als endgültig zerschnitten an. Als überzeugte Liberale wollen sie weiter im Dialog mit der FDP bleiben, um für die Zukunft vielleicht ein neuerliches Umdenken herbeiführen zu können. Immerhin: Ehemann Hermann Hartmann ist als Kreisvorsitzender der FDP Rastatt in der Partei geblieben.
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