In der Gesundheitspolitik hat es Schwarz-Gelb im Wahlkampf vergleichsweise bequem: Die Kassen sitzen auf Milliardenreserven, die Koalition kann sich für ihre Spargesetze loben. Doch aus Sicht der Opposition hat die Regierung in den vergangenen vier Jahren vor allem von der guten Konjunktur profitiert.
Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Prävention der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, erwartet, dass die Kassen spätestens ab 2015 in der Breite Zusatzbeiträge verlangen werden. Einige Kassen seien jetzt schon „an der Kante“, die Rücklagen im System seien nicht besonders groß, sagte Klein-Schmeink bei einer Diskussionsrunde der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL).
Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), hielt dagegen, dass es in der Gesundheitspolitik heute erstmals nicht darum gehe, Löcher zustopfen. „Seit zwei Jahren streiten wir über Rücklagen, das ist mir viel lieber.“ Er sei dafür, diese Rücklagen zu behalten, statt schnell wieder ein Kostendämpfungsgesetz machen zu müssen.
Klein-Schmeink glaubt nicht an eine solide Finanzierung: „Das ist keine tolle Politik, das Geld haben sie den Versicherten weggenommen“, sagte sie. Außerdem hätten die Krankenkassen aus Angst vor Zusatzbeiträgen Leistungen gekürzt, etwa in der Prävention.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) erinnerte daran, dass es nach dem Regierungswechsel 2002 einen Untersuchungsausschuss zur Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt (SPD) gegeben hatte. „Rot-Grün hat die Finanzlage der Kassen vertuscht, die – obwohl sie es nicht durften – Schulden gemacht hatten“, so Bahr. Heute sei die Finanzlage auch wegen der ehrgeizigen Spargesetze im Arzneimittelbereich gut.
Kathrin Vogler (Die Linke) kritisierte, dass die Regierung den erhöhten Herstellerabschlag auslaufen lassen will. „Sie ziehen wieder die Spendierhosen an“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag.
Rar gemacht hatte sich die SPD, die als einzige Bundestagspartei keinen Vertreter in die Diskussionsrunde geschickt hatte. Daher wurde Klein-Schmeink vom Moderator befragt, warum die Sozialdemokraten aus ihrer Sicht im Wahlkampf nicht aus dem Quark kämen. „Natürlich würde man sich wünschen, dass wir den Richtungswechsel jetzt schaffen“, sagte die Grüne. Aktuell könne man aber „nicht so richtig hoffnungsvoll sein“. Immerhin habe die SPD zuletzt neuen Mut geschöpft.
Dass die Grünen in Umfragen zuletzt nachgelassen haben, führt Klein-Schmeink vor allem auf das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) zurück: Es sei völlig normal, dass im Anschluss eine große Personalisierung über die Kanzlerfrage gebe.
Bahr sieht die ebenfalls schwachen Umfragewerte seiner Partei mit „westfälischer Gelassenheit“. Im katholischen Münster verwies Bahr scherzhaft auf die „praktischen Erfahrungen mit der Wiederauferstehung“. Schon bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hätten die Liberalen trotz zuvor schlechter Umfragewerte am Ende gute Ergebnisse eingefahren, erinnerte der Minister.
Spahn wollte sich nicht als Herausforderer des Bundesgesundheitsminister verkaufen: „Wir können die Koalition gerne in derselben Konstellation fortsetzen, das hat großen Spaß gemacht.“ Aus seiner Sicht haben Union und FDP in keinem Politikfeld so gut zusammengearbeitet wie in der Gesundheitspolitik. Was er als Minister anders machen würde? „Nichts.“
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