Parteien bekennen sich zu Apotheken Lothar Klein, 23.10.2019 12:06 Uhr
Nach den für die Große Koalition verlustreichen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen drohen CDU und SPD am kommenden Wochenende in Thüringen erneut massive Stimmenverluste. Auch in der ehemaligen CDU-Hochburg dürfte die AfD laut Umfragen als klarer Sieger aus der Wahl hervorgehen. Die Regierungsbildung in Erfurt dürfte für Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) daher schwierig werden. Mit SPD und Grünen reicht es voraussichtlich nicht mehr. Eine breite Mehrheit gibt es nur mit der CDU und für eine CDU/AfD-Koalition, die aber von der CDU ausgeschlossen wird. Anders als bei anderen Landtagswahlen enthalten die Wahlprogramme aller relevanten Parteien Aussagen zur Zukunft der Apotheken.
Laut der jüngsten Umfrage kann Ministerpräsident Ramelow für die regierende Links-Partei wieder mit 29 Prozent mit den meisten Stimmen rechnen. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren erreichte die Linke 28,2 Prozent. Starke Verluste drohen insbesondere der CDU. Nach 33,5 Prozent im Herbst 2014 kommt die CDU in den Umfragen nur noch auf 24 Prozent und liegt damit Kopf an Kopf mit der AfD, die ebenfalls auf 24 Prozent geschätzt wird. Vor fünf Jahren erreichte die rechtspopulistische AfD nur gut 10 Prozent. Auch in Thüringen setzt sich der Absturz der SPD fort: Nach 12,4 Prozent im Herbst 2014 können die mitregierenden Sozialdemokraten nur noch mit 8 Prozent rechnen. Das reicht nicht mehr für eine Mehrheit mit der Linkspartei. Die Grünen kommen laut Umfragen am Sonntag auf 7 Prozent nach 5,7 Prozent vor fünf Jahren. Damit setzt sich der Höhenflug der Umweltpartei in Thüringen nicht fort. Die FDP steigt zwar in den Umfragen von 2,5 Prozent vor fünf Jahren auf 4 Prozent, dürfte damit aber den Einzug in den Thüringer Landtag erneut verpassen.
Damit steht in Thüringen eine schwierige Regierungsbildung bevor. Rein rechnerisch reicht es nur für ein Bündnis zwischen Links-Partei und CDU sowie CDU und AfD. Selbst eine rot-rot-grüne Koalition dürfte keine Mehrheit erzielen. Ministerpräsident Ramelow setzt auf eine Minderheitsregierung und ist überzeugt, dass ein Verlust der Mehrheit nicht zwangsläufig zu seinem Amtsverlust führen würde. Es gebe keine Vorschrift, in welcher Frist der Ministerpräsident gewählt werden müsse, sagte er kürzlich den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Der Regierungschef werde dann gewählt, wenn eine Fraktion den entsprechenden Antrag stelle. Der alte Ministerpräsident bleibe so lange im Amt, „bis ein neuer gewählt ist“, fügte Ramelow hinzu. Die bis dahin amtierende Landesregierung sei deshalb „auch keine Minderheitsregierung oder eine geschäftsführende Regierung“, sondern „einfach die Landesregierung“. Den Haushalt für 2020 hatte Rot-Rot-Grün bereits im Sommer durch das Parlament gebracht. Es könnte also lange dauern, bis eine neue Regierung tatsächlich gewählt wird. Auch Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen, wenn kein Haushalt 2021 verabschiedet werden kann.
In den Wahlprogrammen spielen die Apotheken naturgemäß keine zentrale Rolle. Allerdings finden sich überall Aussagen zum Erhalt der Vor-Ort-Apotheken. Das ist sonst nicht immer in Landtagswahlprogrammen der Fall: Die Linke will „alle Apotheken erhalten, besonders im ländlichen Raum, und die Studienplätze im Fachbereich Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhöhen“. Die CDU will die Apotheken vor Ort bewahren: „Die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln wird zu allererst durch die Apotheke vor Ort sichergestellt. Dafür treten wir ein, denn die persönliche Beratung durch den Apotheker zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung halten wir für unverzichtbar“, heißt es im Wahlprogramm.
Die Grünen setzen auf staatliche Bedarfsplanung zur Sicherung der medizinischen Versorgung: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Versorgung mit Medikamenten durch Apotheken auch in kleinen Orten oder auf dem Land ebenso gesichert ist wie die medizinische Versorgung. Das geht mit sektorenübergreifenden Konzepten und neuen Formen von ambulanter und stationärer Versorgung, die wir auf- und ausbauen werden. Besonders für strukturschwache Regionen muss eine Bedarfsplanung stattfinden, um Versorgungsalternativen für den gesundheitlichen und medizinischen Bedarf der Menschen zu entwickeln.“
Anders als die Bundes-FDP lehnt die Thüringer FDP die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes ab: „Für die Freien Demokraten bleiben die inhabergeführten, öffentlichen Apotheken die zentralen Garanten für die Sicherstellung der wohnortnahen pharmazeutischen Versorgung der Patienten in Thüringen. Nur diese gewährleisten Beratung und eine 24-stündige Vollversorgung aus einer Hand. Wir wollen uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Beratungs- und Versorgungsleistungen der inhabergeführten Apotheken vor Ort besser honoriert werden und den Wettbewerb fair und europarechtskonform gestalten“, so das Wahlprogramm. Dazu sollen Maßnahmen gemeinsam mit dem Apothekerverband und der Landesapothekerkammer entwickelt werden: „Eine Aufhebung des Fremdbesitzverbotes lehnen wir Freie Demokraten ab.“ Gemeinsam mit den Apothekern will die Landes-FDP dem drohenden Fachkräftemangel in der Region offensiv begegnen. Wie die Links-Partei will die FDP dazu „die pharmazeutische Ausbildung an der Universität Jena stärken“ und die Fakultät Pharmazie erweitern.
Auch die SPD verspricht, sich für die Apotheken einzusetzen: „Die Apotheken vor Ort als Schnittstelle zwischen Patient und Arzt versorgen die Bevölkerung dezentral mit Arzneimitteln (AM) und medizinischen Produkten. Sie bieten Leistungen, wie persönliche Information und Beratungen zu AM, Herstellung von Rezeptur-AM, Nacht und Notdienste, eine Sicherstellung der Versorgung im Katastrophenfall, einen niederschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung sowie wohnortnahe Arbeitsplätze. Damit sind die als Infrastruktur im ländlichen Raum unverzichtbar. Deshalb setzen wir uns für eine klare Gesetzgebung bezüglich der Honorierung von pharmazeutischen Leistungen, für eine wirtschaftliche Sicherung von Apotheken, sowie für die Gleichpreisigkeit von rezeptpflichtigen AM zwischen Apotheke vor Ort und dem Online-Handel ein“, so das Wahlprogramm. Auch die SPD will das Institut für Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena ausbauen.
Sehr knapp äußert sich die AfD zu den Apotheken in Thüringen im Kapitel Digitalisierung des Gesundheitswesens: „Die Digitalisierung ist auch im Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Sie eröffnet der medizinischen Versorgung neue Perspektiven und Chancen. Mit Telemedizin können Ressourcen effizienter genutzt werden. Das Versenden medizinischer Daten zwischen den Arztpraxen ermöglicht es Patienten, seltener persönlich für Kontrolluntersuchungen zu erscheinen. Dies erleichtert und beschleunigt die ärztliche Kontrolle. Mittels Videotelefonie kann der Arzt mit dem Patienten Befunde direkt besprechen. Durch Vernetzung von Apotheken und medizinischem Fachpersonal werden positive Effekte für die Patienten im ländlichen Raum generiert.“
Die Landtagswahlen in Thüringen finden in unruhigen politischen Zeiten auf Bundesebene statt und könnten darauf ausstrahlen. Am Samstag gibt die SPD das Ergebnis der Mitgliederbefragung für den neuen Parteivorsitz nach dem Rücktritt von Andrea Nahles bekannt. Das sichert der SPD einen Tag vor dem Urnengang auf jeden Fall mediale Aufmerksamkeit. Ob das Ergebnis allerdings positive Effekte auf die Thüringenwahl haben wird, steht in den Sternen. Jedenfalls kann die SPD anders als geplant mit ihrem auf Bundesebene wichtigen Projekt der Einführung einer Grundrente vorerst nicht punkten. Eigentlich sollte den Wähler in Thüringen mit diesem Thema ein sichtbarer Erfolg der SPD-Arbeit in der Großen Koalition in Berlin vorgeführt werden. Doch die Verhandlungen mit der Union stecken fest. Deshalb wurde auch die geplante GroKo-Zwischenbilanz verschoben. Das absehbare Desaster von CDU und SPD in Thüringen dürfte somit für neue Unruhe in der Bundesregierung sorgen.