Parteichefs besiegeln GroKo dpa, 12.03.2018 17:01 Uhr
Fast ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl haben Union und SPD die Neuauflage ihrer großen Koalition besiegelt. „Sehr viel Arbeit liegt vor uns“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unmittelbar vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. Das harte Ringen um die Grundlagen einer gemeinsamen Regierung habe sich gelohnt. Der künftige Vizekanzler und kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz sagte, die neue GroKo habe nicht als „Liebesheirat“ begonnen. Er zeigte sich aber überzeugt, dass das Bündnis bis zur nächsten planmäßigen Wahl 2021 halten und gut zusammenarbeiten werde.
Am Mittwoch soll Merkel vom Bundestag ein viertes Mal zur Kanzlerin gewählt werden, damit endet die längste Regierungsbildung in der bundesdeutschen Geschichte. Die Deutschen erwarteten nun eine schnelle Umsetzung der gemeinsamen Pläne, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. „Es ist ein Koalitionsvertrag für die kleinen Leute.“ Für sie seien Arbeitsplatzsicherung und bezahlbarer Wohnraum besonders wichtig. Es gelte für die Koalition, das Vertrauen der Bevölkerung „durch Leistung“ zu gewinnen. Merkel sagte: „Eigentlich drängt fast alles, was wir uns vorgenommen haben.“
Die Partei- und Fraktionsspitzen von Union und SPD unterzeichneten in einem Gebäude des Bundestags den Anfang Februar ausgehandelten Vertrag für ihr Regierungsprogramm. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erleichtert: „Ich bin froh darüber, dass die Zeit der Unsicherheit und Verunsicherung vorübergeht“, sagte er in Düsseldorf.
Steinmeier soll am Mittwoch das neue Kabinett vereidigen. Er hatte die SPD gedrängt, nach dem Scheitern der schwarz-gelb-grünen Jamaika-Gespräche trotz großer Vorbehalte mit der Union über eine weitere Koalition zu verhandeln. Union und SPD hatten bei der Bundestagswahl vielen Stimmen verloren und stellen nun gemeinsam nur noch 56 Prozent der Abgeordneten im Bundestag.
„Das wird eine gute Regierung“, versprach der künftige Bundesfinanzminister Scholz. Den Sozialdemokraten gehe es darum, das Leben der Menschen „Schritt für Schritt, Tag für Tag“ besser und das Land gerechter zu machen. Sie würden nun „mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, mit der notwendigen konstruktiven Haltung und dem nötigen Optimismus“ an die Arbeit gehen. Ein wichtiges Ziel sei es, gute Arbeitsplätze trotz des rasanten Wandels durch die Digitalisierung zu erhalten. Die Sorgen der Bürger müsse eine Regierung aufgreifen.
Scholz und Merkel zeigten sich einig, dass ein neuer Bundeshaushalt nun zu den dringendsten Aufgaben gehört. Den Verzicht auf neue Schulden, die „Schwarze Null“, habe man sich gemeinsam vorgenommen, betonte Scholz. Seehofer kündigte an, bei ihm als künftigem Innenminister gelte „in jeder Richtung null Toleranz gegenüber Straftaten und Gewalt“. Das gelte unabhängig von der Nationalität der Täter.
Die Oppositionsparteien griffen die Pläne der großen Koalition an. Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger kritisierte, mit Scholz, dem künftigen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Seehofer als Innenminister hätten „Schwarze Null, Pflegenotstand und Rechtsruck Stammplätze auf der Regierungsbank“. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, der GroKo-Vertrag habe „große Lücken gerade bei den großen Zukunftsherausforderungen“: Klimaschutz, Digitalisierung und Bekämpfung von Armut.
FDP-Chef Christian Lindner bemängelte, es fehlten Entlastungen für die Mitte der Gesellschaft. „Dieser ganze Koalitionsvertrag atmet den Geist einer absoluten Staatsfixierung“, sagte er. „Von den Bürgerinnen und Bürgern wird eigentlich nur gesprochen als von den Bedürftigen, den Schwachen, von den Patienten, um die man sich kümmern muss.“ Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen bezeichnete den Koalitionsvertrag als sozialdemokratisch geprägtes „Sammelsurium“ ohne Leitidee.