„Am selben Strang und in die gleiche Richtung“

Overwiening fordert unbedingte Geschlossenheit

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München -

Zum Auftakt des Deutschen Apothekertages (DAT) hat Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ihre erneute Kandidatur bei den Wahlen im Dezember erklärt. Sie warb für ein geschlossenes Auftreten der Apothekerschaft und mehr Vertrauen in die Standesvertretung: Wer nur auf eigene Profilierung setze, spiele denjenigen in die Hände, die politische Ziele gegen die Apotheker verfolgten, warnte sie.

Bereits im vergangenen Jahr wurde auf dem DAT gefordert, bewährte Strukturen zu stabilisieren und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Es ist von politischer Seite nichts passiert. Im Gegenteil: Durch die anhaltenden Lieferengpässe und das Skonto-Urteil hat sich die Situation der Apotheken im vergangenen Jahr sogar weiter verschärft. So mussten im Jahr 2023 500 Apotheken schließen, in diesem Jahr könnten es sogar noch mehr werden. „Statt für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, erleben wir Stillstand in der Politik“, so Overwiening.

Maßnahmen funktionieren

Angesichts der Herausforderungen ist es laut Overwiening wichtig, an die Öffentlichkeit zu gehen. Bereits im November letzten Jahres habe man einen Protestmonat organisiert, gefolgt von einer großen Informationskampagne. Unter anderem habe die Abda dazu aufgerufen, Politiker in die Apotheken einzuladen, um vor Ort zu informieren. „Ich bin überzeugt, dass diese Maßnahmen zum Erfolg führen werden“, sagte Overwiening. Auch wenn die Gespräche im Einzelnen zunächst klein und unbedeutend erscheinen würden, erzeugten sie Druck auf die Bundesregierung. „Durch unser Engagement ist das Apotheken-Reformgesetz berechtigter Kritik ausgesetzt und wird hinterfragt.“

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spürt den Widerstand gegen seine Vorschläge, doch statt eine echte Reform auf den Weg zu bringen, strebe er einen Strukturwandel an, ohne mit den Apotheker:innen zu kommunizieren. Der Minister habe kein Interesse, das System im Dialog zu stabilisieren; er höre nicht auf die Argumente der Standesvertretung, so Overwiening weiter.

Die geplante Degradierung der Apotheken zu reinen Abgabestellen sei eine exklusive Idee des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), betont Overwiening. „Die Realität ist, dass die Menschen keine Apotheken ohne Apotheker wollen.“ Die Patienten brauchen den persönlichen Kontakt. „Wir brauchen daher mehr Apotheken und nicht weniger“, so Overwiening.

Die Apothekenreform lese sich wie ein Angriff auf die Apotheken vor Ort. „Das ist ein Albtraum und kein Gesetzentwurf“, so Overwiening. Für eine sichere und zuverlässige Arzneimittelversorgung brauche es den Apotheker vor Ort. „Die Politik hat recht, wenn sie von uns Veränderungsbereitschaft fordert. Wir wollen unsere Expertise deutlich stärker einbringen, aber dafür braucht es die Basis einer angemessenen Honorierung und die Freiberuflichkeit“, so Overwiening.

Nicht kompromissfähig

„Es stellt sich die Frage, ob man bei der Struktur nicht ein Auge zudrücken könnte, um bei der Honorierung voranzukommen“, sagte Overwiening. „Aber die Apotheke ohne Apotheker ist ein Angriff auf unseren Berufsstand und nicht kompromissfähig.“

In anderen Ländern werde die Kompetenz der Apotheken gestärkt, während in Deutschland die wenigen verbliebenen Apotheker künftig nur noch einmal in der Woche vorbeischauen sollen. Das führe unweigerlich zur Abschaffung des Berufsstandes, warnte Overwiening. „Wir würden dann nur noch im ‚Helikoptermodus‘ den Versorgungsbetrieb kontrollieren, statt unsere eigentliche Kompetenz als Heilberufler zu nutzen.“ Die Apotheke light würde zur Entlassung vieler Apotheker:innen führen, das Pharmaziestudium würde an Attraktivität verlieren, was letztlich zum Zusammenbruch der Versorgung und zur Einführung von Alternativen führen könnte.

Türöffner für den Versandhandel

Lauterbach behaupte, dass der Versandhandel große Teile des Marktes übernehmen werde, wenn die Reform nicht komme, so Overwiening. Laut Minister sei die Reform eine einmalige Chance, weitere Apotheken vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren. „Dennoch begrüßen ausländische Versender die Apothekenreform – das sollte alarmieren“, so Overwiening.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs habe sich die Abda an andere Akteure im Gesundheitswesen gewandt. „Niemand hat ein Interesse daran, die Apothekenversorgung zu untergraben“, so Overwiening. Insbesondere Apotheken ohne Apotheker stünden in der Kritik, wenn es um Patientensicherheit und Versorgungssicherheit geht. Sowohl die Pharmaindustrie als auch Ärztevertreter und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) äußerten Bedenken gegen die Reformpläne.

Strukturreform ist Ablenkung

Laut Overwiening ist die Reform von Karl Lauterbach so nicht kompromissfähig.Foto: APOTHEKE ADHOC

Es gebe Kritik an der Abda, so Overwiening. Sie würde blockieren und sei nicht zukunftsorientiert. „Wenn Apotheker glauben, dass ihre Standesvertretung keine zukunftsweisenden Vorschläge macht, wem nützt das? Warum sollten wir Apotheker keine Vorschläge einbringen wollen? Schließlich geht es auch um unsere Zukunft“, so Overwiening.

„Uns wird vorgeworfen, dass wir die Digitalisierung nicht wollen oder nicht auf das BMG zugehen. Ich sage Ihnen, das ist eine verkehrte Welt“, so Overwiening. Im BMG seien immer feste Eckpunkte präsentiert worden, aber es habe kein Interesse an Argumenten und Ideen gegeben. Die Diskussionen drehten sich immer um die Struktur und nicht um die Finanzierung. Mit Strukturreformen werde von der Unterfinanzierung abgelenkt.

An einem Strang ziehen

Das Ausspielen der Mitglieder gegen die eigene Berufsvertretung sei ein politisches Machtmittel. „Wir sollten uns nicht von der Strategie der Spaltung und des Säens von Misstrauen verunsichern lassen“, so Overwiening. „Wir müssen an unseren gemeinsamen Zielen festhalten und sollten nicht das Glück in der eigenen Profilierung suchen, denn das würde nur jenen helfen, die politische Ziele gegen uns erreichen wollen.“

Die Abda vertraue den Apotheker:innen und ihren Teams, wenn es darum gehe, Ziele und Probleme in Gesprächen mit Politikern darzulegen. „Im Gegenzug wünschen wir uns, dass auch uns dieses Vertrauen entgegengebracht wird“, so Overwiening. Vom DAT solle ein Signal der unbedingten Geschlossenheit ausgehen: „Wir ziehen am selben Strang und in die gleiche Richtung.“

Overwiening will Präsidentin bleiben

Angesichts der aktuellen Herausforderungen kündigte Overwiening an, erneut für den Vorsitz zu kandidieren, um sich weiterhin für die Apotheken und eine sichere Arzneimittelversorgung einzusetzen. „Was vor uns liegt, mag wie ein unüberwindbarer Berg erscheinen, aber gemeinsam werden wir es schaffen“, so Overwiening abschließend.

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