Gestern fand der erste Facebook-Live-Talk mit Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening seit Vorliegen des Referentenentwurfes statt. Ein Entwurf, der den tatsächlichen Titel Apothekenreform nicht verdiene und auch dem Koalitionsvertrag – Stabilisierung der Apotheken vor Ort – nicht entspreche. Die Abda werde alles daransetzen, das Gesetz in dieser Form nicht durch den Bundestag kommen zu lassen. „Es sind wirklich schwere Zeiten.“ Overwiening rief zu Geschlossenheit auf und appellierte an die Kolleg:innen. Sie sollen nicht den „falschen Rattenfängern“ folgen.
„Wir müssen uns fragen, was wir jetzt in den nächsten Monaten an intelligenten Dingen tun können, aber ganz bestimmt nicht polemisch werden und ganz bestimmt nicht den falschen Rattenfängern folgen, die uns mit Populismus einbläuen wollen, wir hätten hier keine gute Arbeit gemacht. Sie machen eine gute Arbeit vor Ort jeden Tag. Und wir machen eine gute Arbeit. Auch ich für meine Begriffe vor Ort jeden Tag und wir machen eine gute Arbeit hier. Es ist manchmal der falsche Adressat, wenn in solchen Medien oder Diensten einfach geschimpft wird, dass Lobbyarbeit versagt“, so Overwiening.
„Ich weiß, dass es sehr schön ist, wenn Medien reißerisch berichten. (…) Glauben Sie dem einfach nicht, glauben Sie dem nicht, das stimmt nicht. Unsere Lobbyarbeit ist sehr erfolgreich. Wir schaffen sehr viel, wir haben auch sehr viel erreicht. Wir haben nicht erreicht, dass ein SPD-Minister sein Gedankengut, was er mit sich trägt, was er auch in 2004 schon hatte, dass er dieses Gedankengut ad acta legt. Aber das ist auch nicht zu erwarten. Wir müssen nur die anderen mobilisieren, dass sie mit uns dafür sorgen, dass wir ein gescheites Gesetz oder kein Gesetz in dieser Legislaturperiode bekommen.“
Apotheken hätten viel Öffentlichkeit – auch in vielen großen bundesweit erscheinenden Zeitungen, im Morgenmagazin und eine tolle Nachwuchskampagne gestartet. Zudem wurden beispielsweise die Grippeimpfung in die Regelversorgung überführt, die Nullretax eingeschränkt und die Präqualifizierung abgeschafft.
„Wichtig, dass wir hier eins mehr noch beherzigen denn je, das ist unsere Geschlossenheit. Es hat überhaupt keinen Sinn, gegeneinander zu agieren, uns gegeneinander zu beschimpfen, wer was wann hätte machen sollen oder nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, alle die, die in den Kammern und Verbänden tätig sind, die in der Abda, im DAV und in der Bundesapothekerkammer tätig sind, wir sind Apothekerinnen und Apotheker. Uns betrifft dieses Gesetz genauso wie sie, die sie uns jetzt heute hier zusehen. Auch wir wollen dieses Gesetz mit aller Kraft verhindern und wenn ein gutes und sicheres apothekenstärkendes Gesetz auf den Weg bringen“, appelliert Overwienung an die rund 50 Zuschauer:innen.
Am 12. Juni hat die Abda den Referentenentwurf auf den Schreibtisch bekommen – „durchgestochen vom BMG an eine Zeitung, weder die Mitglieder des Bundestages, noch wir Verbände wussten, was tatsächlich jetzt kommen würde“, so Overwiening. Es folgte ein Anruf vom Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der der Standesvertretung die entsprechenden Passagen zukommen lassen hat. Erst am Freitag – eine Woche danach – habe die Abda den Entwurf im Original zur Verfügung gestellt bekommen. Ein „erneuter schwerer respektloser Umgang mit uns, mit den Apothekerinnen und Apothekern.“
Kernbedrohung und Kernaussage des Gesetzes ist die Apotheke ohne Apotheker. Ein echter Etikettenschwindel mit gefährlichen Konsequenzen, so die Abda-Präsidentin. Es gehe nicht um die Weiterwicklung des Arzneimittelversorgungssystems über die Apotheke vor Ort, sondern um einen klaren Systemwechsel. Es gehe um Amerikanisierung und Kommerzialisierung. Arzneimittel würden trivialisiert und zu Bonbons und Keksen.
Overwiening verteidigt die „kurze knappe und ablehnende Stellungnahme.“ Es habe keinen Sinn, über Details zu sprechen. Wenn es Apotheker ohne Apotheker geben soll, brauche man die anderen Punkte nicht mehr zu betrachten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nehme die Bedürfnisse der Patient:innen nicht ernst und wisse nicht, wie der Versorgungsalltag in den Apotheken aussieht und was die Patient:innen brauchen.
Die Abda habe mit vielen Politiker:innen Gespräche geführt und die Risiken, aufgezeigt. „Das, was wir prophezeien, wird passieren.“ Es sei wie mit einem Stein, der ins Wasser geworfen wird – er sinkt, ob man wolle oder nicht.
Am 17. Juli soll das Gesetz im Kabinett beraten und nach dem Plan des Ministers beschlossen und anschließend als Kabinettsbeschluss an den Bundestag überführt werden. „Der kann frühestens in der zweiten Septemberwoche damit beginnen, wird es aber noch nicht können, weil zunächst Haushalt dran ist.“ Am 28. September wird sich der Bundesrat damit befassen. Daher sei davon auszugehen, dass erst Anfang Oktober – passend zum Deutschen Apothekertag – die Beratung im Bundestag stattfinden kann, sofern das Gesetz das Kabinett verlässt. Bis dahin müsse der Etikettenschwindel enttarnt und in den Ländern und Wahlkreisen Gespräche geführt werden.
„Wir müssen reden“, müsse intensiviert und fortgeführt werden. Die Social Media-Kampagne ist „in der unmittelbarer Freischaltung“ und die Hilfe der Apothekenteams gefragt.
„Wir müssen jetzt die Social Media-Kampagne starten“, so die Abda-Präsidentin. Außerdem laufen die Gespräche mit den Politiker:innen weiter und es wird ein Booklet verfasst, in dem die Leistungen der Apotheken zusammengetragen werden.
Anfang September soll eine sehr emotionale Kampagne starten, die zeigen soll, was auf dem Spiel steht, wenn es die Apotheken vor Ort sind mehr gibt. Anfang September/Ende August wird es einige Kundgebungen in den Ländern, in denen Landtagswahlen sind, geben. „Das wird eine hohe Sensibilität auch unsererseits erfordern.“
Dann werde man sehen, ob der Bundesrat sich durchsetzen kann. „Der Bundesrat wird sich klar positionieren gegen dieses Gesetz in dieser Form – allerdings ist das vermutlich nicht zustimmungspflichtig, wie es bisher aussieht.“ Es sei abzuwarten, wie die Bundesregierung auf die klare Positionierung der Länder reagiert, „um dann in einem nächsten Schritt von unserer Seite auch mit großen Kundgebungen zu starten.“
Lauterbach habe ganz genau von den Kritikpunkten gewusst. Im Juni gab es ein Gespräch, in dem auch die juristischen Konsequenzen aufgezeigt wurden. Das Gutachten von Di Fabio wurde eingebracht. „Das heißt nicht, dass wir keine Vorschläge eingebracht haben.“ Auch Zweigapotheken wurden intensiv beraten. Anforderungen könnten gerne stark reduzieren, „das ist nicht Regelversorgung, sondern Ausnahmeversorgung.“
Auch zur Honorierung wurden gezielte Vorschläge gemacht. Ebenso zu Telepharmazie, Telemedizin und zur interprofessionellen Zusammenarbeit. „Die ablehnende Stellungnahme war dringend erforderlich, um klar und deutlich zu ziehen, wie bedrohlich das hier ist.“
Eine stabile und flächendeckende Versorgung kann nur erhalten werden, wenn:
Die heilberufliche Kompetenz der Apotheker müsse gestärkt werden, dann werde der Beruf auch attraktiver sein, aber ein chronisch unterfinanziertes System ohne mehr Entscheidungskompetenzen mache den Beruf nicht attraktiver. Aber die Antwort des Ministers ist eine Leistungskürzung. Für die 40.000 Apotheker in den Apotheken sei das ein Schlag ins Gesicht.
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