Apothekenhonorar

Overwiening will 360 Millionen Euro umverteilen APOTHEKE ADHOC, 22.11.2017 14:54 Uhr

Berlin - 

Während sich die ABDA seit Wochen zu Honorar- und anderen politischen Fragen in Schweigen hüllt, macht sich bei den Mitgliedsorganisationen Unruhe breit. Als Erste hat jetzt Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening konkrete Vorstellungen zur Vergütung vorgestellt. Sie plädiert für einen finanziell aufgestockten Umverteilungstopf nach dem Vorbild des Nacht- und Notdienstfonds (NNF). Es geht im Schnitt um 18.000 Euro pro Apotheke und insgesamt um 360 Millionen Euro.

Zum Ende ihres Lageberichts vor der Kammerversammlung appellierte Overwiening, dass die Apothekerschaft ohne mutiges Vorangehen, ohne eigene Ideen, Denkanstöße und Konzepte die Zukunft nicht werde gestalten können. „Wir brauchen dringend ein neues Honorierungsmodell, das die flächendeckende Versorgung stärkt beziehungsweise sichert.“ Das Honorarsystem dürfe die Schere in der Umsatz- und Ertragsverteilung nicht weiter öffnen und müsse besondere pharmazeutische Dienstleistungen und Qualitäten wie beispielsweise die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) honorieren.

Auch wenn dies nicht in die Zuständigkeit der Kammer fällt, präzisierte Overwiening ihre Vorstellungen an einem Beispiel, das sie als „Gedankenanstoß“ verstanden wissen will: „Wenn alle dabei bleiben, dass eine flächendeckende Arzneimittelversorgung höchste Priorität hat und haben wird, dann kann entweder aus dem Fixum heraus oder durch einen zum Fixum zusätzlich gezahlten Betrag eine Umverteilung vorgenommen werden“, so die Kammerpräsidentin.

Dieser Betrag könne gleichsam an alle Apotheken als eine Art „Sicherstellungspauschale“ ausgeschüttet werden. Denn die Beteiligung am Nacht- und Notdienst, die tägliche Prüfung von Fertigarzneimitteln und die Herstellung von Rezepturen leisteten alle Apotheken unabhängig von ihrer Größe und Lage – und ebenso im Unterschied zu Versandhandel.

„Bei 50 Cent aus dem Fixum heraus beziehungsweise pro Rx-Packung on top ergäbe sich eine ‚Spielmasse‘ von circa 1500 Euro und Monat je Apotheke für einen solchen Vorschlag“, so Overwiening. Eine Umlage von 50 Cent je Rx-Packung würde insgesamt eine Umverteilungsmasse von 360 Millionen Euro ergeben, pro Apotheke also einen Betrag von rund 18.500 Euro.

Des Weiteren drängt Overwienung auf rasche Fortschritte bei der Digitalisierung: „Wir müssen dringend unser eigenes apothekerliches Netz an den Start bringen.“ Zu diesem Zwecke sei die ABDA-Netzgesellschaft NGDA gegründet worden; sie brauche jetzt die volle Rückendeckung und Unterstützung, „damit sie aktiv werden kann, wenn wir beim Medikationsplan und beim Thema AMTS mitspielen wollen“. Overwiening: „Wenn wir globalen Konzernen die Stirn bieten wollen, ist das eigene Netz dafür die Basis.“

Die ABDA und ihre Mitgliedsorgansationen müssten der Gesellschaft verdeutlichen, dass apothekerliches Handeln die Adhärenz steigere. „Wir sorgen dafür, dass Arzneimittel richtig und regemäßig eingenommen werden, dass Fehl- und Doppelverordnungen detektiert werden und dass unerwünschte Arzneimttelwirkungen minimiert werden, insbesondere überflüssige Krankenhauseinweisungen“, fordert die Kammerpräsidentin. Dies zeige sich nicht nur im täglichen Handeln, „es muss verstärkt durch wissenschaftliche Projekte evaluiert und belegt werden“.

Am Wochenende hatte bereits Dr. Klaus Michels, Verbandschef in Westfalen-Lippe, im Zusammenhang mit dem Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) eine intensive Diskussion über das Apothekenhonorar gefordert. Michels plädierte dafür, das Apothekenhonorar weiterhin an die Abgabe von Arzneimittel zu koppeln. Außerdem rief er bei der Mitgliederversammlung dazu auf, neue Entwicklungen im Apothekenmarkt nicht nur zu beobachten, sondern aktiv mitzugestalten.

„Spätestens mit der Veröffentlichung des 2hm-Gutachtens sowie des Gegengutachtens der ABDA wird dieses Thema Fahrt aufnehmen“, sagte Michels und weiter: „In unserem Fokus muss dabei die nachhaltige Sicherung unserer wirtschaftlichen Interessen stehen.“ Das System einer Kombination aus Fixkomponente und 3-prozentigem Aufschlag habe sich seit 2004 bewährt. „Es sollte daher von unserer Seite nur dann in Frage gestellt werden, wenn wir tatsächlich ein zumindest gleich gutes, eher besseres Alternativmodell präsentieren können“, so Michels.

Dabei gibt es für Michels eine Bedingung von elementarer Bedeutung: „Die zu vergütende Leistung muss den Bezug zur Abgabe des Arzneimittels beibehalten.“ Es bedürfe einer zwingenden Verknüpfung zwischen der Abgabe der zu erbringenden Dienstleistung. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die Leistung „in der Apotheke bleibt“. Ein neues Vergütungsmodell sollte zudem Leistungsanreize setzen. Entscheidendes Kriterium müsse dabei die Qualität sein.

Für nicht zielführend hält Michels die Einführung zusätzlicher Pauschalen, „die sozusagen eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für Apotheken bedeuten würden“. Eine Entlohnung ohne konkrete Gegenleistung sei nicht nur ungerecht, sondern konserviere ineffiziente Strukturen. Michels: „Zum Erhalt der flächendeckenden Versorgung wird es dagegen nötig sein, über neue Strukturen nachzudenken. Hier sollten wir Apotheker unbedingt aktiv praktikable Lösungen anbieten.“

Die Delegierten des Apothekerparlamentes der AKWL wählten bei Herbstsitzung in Münster-Roxel den 53-jährigen Dortmunder Frank Dieckerhoff zum Nachfolger von René Graf, der das Amt nach mehr als acht Jahren aus gesundheitlichen Gründen zur Verfügung stellte. Dieckerhoff erhielt in geheimer Wahl 75 Stimmen bei nur einer Gegenstimme.

Dieckerhoff ist seit August 2002 Inhaber der Funkturm-Apotheke in Dortmund. Zuvor war er von 1990 an mehr als zwölf Jahre als angestellter Apotheker in der Punkt-Apotheke und der Funkturm-Apotheke tätig. Dem Kammervorstand gehört er seit Juni 2009 an. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählten bisher die Aus- und Fortbildung, die Arzneimitteltherapiesicherheit und die interprofessionelle Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern.

Sein Vorgänger René Graf, der die Hirsch-Apotheke in Beckum führt, musste sich das Kürzertreten zwar verordnen lassen, freut sich aber auch auf die Zeit nach dem Amt: „Für mich geht jetzt ein Wunsch in Erfüllung, der über acht Jahre stetig wuchs“, sagt Graf, „mich nämlich selbst wieder an der Teamarbeit in der Apotheke beteiligen zu können.“ Er fügt zugleich hinzu: „Mit Frank Dieckerhoff hat die Kammerversammlung meinem Wunschkandidaten durch ein deutliches Votum viel Rückenwind für seine neue Aufgabe mit auf den Weg gegeben.“

Die Delegierten der Kammerversammlung befasste sich auch mit dem Haushaltsplan für das Jahr 2018. Der Kammerhaushalt wird im neuen Jahr um 5,6 Prozent auf ein Volumen von 7,4 Millionen Euro steigen – bei konstanten Beitragssätzen für die Mitglieder. Die Steigerungen erklären sich durch Einmalausgaben für zwei größere IT-Projekte. „Außerdem investieren wir weiter in die pharmazeutischen Dienstleistungen für unsere Mitglieder“, kündigte Overwiening an. Ab April sollen dafür zwei neue halbe Stellen für das Service-Portal Pharmazie der Kammer, das jährlich eine vierstellige Anzahl von Fachfragen beantwortet, geschaffen werden.

Aufgelöst wird zum Jahresende das Zusatzversorgungswerk der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Das beschlossen die Delegierten mit dem erforderlichen Quorum von 75 Prozent der gewählten Kammerversammlungsmitglieder. Die 1956 geschaffene und Ende 1994 für Neuzugänge geschlossene Einrichtung gewährt nichtselbstständigen Apothekerinnen und Apothekern eine Zusatzrente. Der Beschluss sieht vor, dass die etwa 650 Rentenempfänger und Rentenanwärter in einem abgestuften Verfahren Abfindungen erhalten.