Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat sich zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags (DAT) in München verärgert über Kassen und Ärzte gezeigt. Ihr Credo: Auf dieses Niveau werden sich die Apothekerinnen und Apotheker nicht herablassen.
Die monatelangen Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband seien für die Verhandler eine regelrechte Zumutung gewesen, eine Tortur. „Wir haben zwischendurch den Glauben daran verloren, dass es unserem Verhandlungspartner überhaupt um eine verbesserte Versorgung seiner Versicherten geht. Dass es erst eines Schiedsspruches bedurfte und dieser dann sogar noch vom GKV-Spitzenverband beklagt wird, ist an Destruktivität kaum zu überbieten.“
Ganz gleich was man den Kassen biete, wie sehr man sich anstrenge oder wie kooperativ man sei: „Der GKV-Spitzenverband scheint nie zufriedenzustellen zu sein.“ Ihre Vermutung: Die Kosten für den bürokratischen Verwaltungsapparat könnten ein Grund für diese „Nimmersatt-Mentalität“ sein. Ihre Forderung: „Wir erwarten vom GKV-Spitzenverband, dass er endlich die dafür bereitgestellten Beitragsgelder seiner Versicherten auch für deren Gesundheit investiert.“
Zweite Front sind die Reaktionen aus Teilen der Ärzteschaft auf die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen sowie der Zulassung von Corona- und Grippeimpfungen in der Apotheke: Mit teils martialischer Wortwahl seien Forderungen nach dem Dispensierrecht geltend gemacht worden – auch in Richtung der Versicherten: „Mit diesem absurden öffentlichen Hetzen wird das Vertrauen der Menschen in die Gesundheitsberufe belastet. Wir Apothekerinnen und Apotheker werden uns nicht dazu hinreißen lassen und auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten austragen, was es bilateral zu besprechen und zu klären gilt.“
Overwiening wies darauf hin, dass in einigen KV-Bezirken derzeit Wahlen anstehen, wie zum Beispiel in Hessen. „Aber auch in Zeiten des Wahlkampfes gebietet sich ein Mindestmaß an Anstand.“ Sie wisse auch, dass die überwiegende Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte weiterhin auf das heilberufliche Miteinander setze. „In den Praxen vor Ort wird das Miteinander gelebt, werden keine Hahnenkämpfe auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen. Die vor Ort, am Menschen tätigen Ärztinnen und Ärzte, unterscheiden sich sehr deutlich von der Ebene der Funktionäre.“
Umso ärgerlicher sei es, dass die Apotheken von der Selbstdispensation bei Paxlovid überrollt worden seien. Diese Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) habe die Apothekerinnen und Apotheker in Alarmbereitschaft versetzt. „Die aus gutem Grund bestehende und bewährte Trennung zwischen ärztlicher und pharmazeutischer Tätigkeit darf nicht aufgehoben werden. Das ist gefährlich!“ Daher sei sie Minister Karl Lauterbach dankbar für sein klares Bekenntnis, dass die Abgabe von Paxlovid durch Ärztinnen und Ärzte nicht der Startschuss für die Einführung des Dispensierrechts der Ärzteschaft ist: „Es wird mit Herrn Minister Lauterbach keine weitere Aufweichung des Dispensierrechtes geben! Wir freuen uns natürlich noch über eine öffentliche klare Positionierung des Ministers.“
Overwiening widerholte ihre Kritik, dass die Apotheken bei der Entstehung des Spargesetzes nicht einbezogen worden seien. Es habe die Apotheken „massiv verstört und verärgert, dass uns ein solcher Entwurf vor die Füße geworfen wird“. Die darin vorgesehene Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro für zwei Jahre würden sich die Apotheken nicht gefallen lassen, so die Abda-Präsidentin.
Überhaupt ließ die Kommunikation mit dem BMG zu Wünschen übrig. Neun Monate sei man komplett ohne Dialog gewesen, erst am vergangenen Freitag war Overwiening bei Lauterbach zu einem ersten Austausch. Immerhin: Der Minister habe versprochen, dass die Apotheken frühzeitig einbezogen werden.
Statt einer Kürzung über den Kassenabschlag bräuchten die Apotheken einen Zuschlag. Denn die Vergütung der Apotheken sei „seit Jahren im Sinkflug“, dies werde durch Corona-Maßnahmen lediglich verschleiert. Der finanzielle Aufwand für das Inkasso der Herstellerabschläge werde mit deren Erhöhung größer, um so mehr bräuchten die Apotheken dafür jetzt einen Ausgleich. Die Kosten, die die Handhabung der Lieferengpässe verursacht, hatte DAV-Chef Thomas Dittrich am Vormittag in seinem Grußwort schon vorgerechnet: rund 15.000 Euro pro Apotheke jährlich.
Den von Lauterbach angedachte Gesundheits-Kiosk nannte Overwiening eine „überflüssige Parallelstruktur“. Sie teile die Auffassung der Ärzteschaft, dass hier Geld verbrannt werde.
Die Apotheker:innen unterstützen das E-Rezept, so Overwiening, „auch wenn es mit zahlreichen Anstrengungen und Mühen verbunden ist, und obwohl auch Gefahren davon ausgehen, wenn die Politik nicht achtsam und nachhaltig die Rahmen setzt“. E-Rezepte müssten fehlerfrei, ohne Unklarheiten und ohne Retaxationsgefahr von der Arztpraxis über die Patient:innen in die Apotheke kommen.
Das E-Rezept habe das Potenzial, „ein echtes Gewinnerthema für die Gesundheitsversorgung zu werden“. Es sei die Aufgabe der Apotheken in den nächsten Phasen des Roll-outs, die noch vorhandenen Kinderkrankheiten abzustellen. „Die Hoheit über das E-Rezept muss bei der Patientin und bei dem Patienten verbleiben. Es ist nichts gegen besonders komfortable Übertragungswege, insbesondere wie zum Beispiel über die elektronische Versichertenkarte, einzuwenden – im Gegenteil, diesen dritten Weg unterstützen wir ausdrücklich. Aber wir werden uns mit aller Macht dagegenstemmen, wenn unsichere Vertriebswege wieder ins Gespräch gebracht werden, um mit dem Schlagwort „Convenience” dubiose und riskante Geschäftsmodelle zu protegieren“, so Overwiening. Eine Übertragung des E-Rezepts per SMS oder E-Mail sieht Overwiening nicht.
APOTHEKE ADHOC Debatte