Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening hat die Politik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scharf kritisiert: „Anstelle des Dankes und der Wertschätzung gegenüber unserem Berufsstand, der die Herausforderungen der Pandemie hervorragend gemeistert hat, gab es eine Erhöhung des Kassenabschlags, das ist der Horror“, sagte bei einer politischen Diskussionsrunde mit Noweda-Chef Dr. Michael Kuck beim Westfälisch-lippischen Apothekertag (WLAT) in Münster.
Overwiening hatte als Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) zum 9. WLAT geladen. Sie warnt vor den Folgen der Gesundheitspolitik der Ampel-Koalition: „Die Apothekenteams sind zum Teil am Ende ihrer Kräfte und halten sich doch aufrecht, weil sie die Patientinnen und Patienten weiter versorgen wollen.“
Noweda-Chef Kuck hätte sich Sparmaßnahmen an anderer Stelle gewünscht: „Wenn man den gesetzlichen Krankenkassen verbieten würde, Werbung zu schalten und Geld für Image-Kampagnen auszugeben, würde man dieselbe Summe sparen, die nun den Apotheken fehlt.“ 80 Millionen Euro Versichertengelder gäben die Kassen pro Jahr für diese Maßnahmen aus. Und das GKV-System bekäme doppelt so viel Geld für die Verwaltung wie die Apotheken für den Dienst am Patienten. „Da geht es nicht um Kleingeld, sondern um über 12 Milliarden Euro“, so Kuck.
Overwiening will in ihrer Rolle als Abda-Präsidentin weiter dafür kämpfen, die gelockerten Abgaberegeln dauerhaft zu erhalten: „Es sind die Erleichterungen aus der Pandemie, die es uns überhaupt ermöglichen, die Patientinnen und Patienten trotz Lieferengpässen zu versorgen.“ Noch habe sich die Politik nicht dazu durchgerungen, die Regeln zu verstetigen, aber immerhin soll eine Gesetzesänderung die Regeln bis Ende Juli 2023 erhalten.
Kuck ergänzte, dass die Lieferprobleme auch den Großhandel nicht kalt ließen: „Auf dem Höhepunkt der Nicht-Lieferbarkeit von Fiebersäften für Kinder hatten wir offene Nachfragen von 560.000 Packungen.“ Die Arzneimittelversorgung in Deutschland sei sträflich unterfinanziert. „Solange Herr Lauterbach das nicht anpackt, wird er seiner Verantwortung für die Arzneimittelversorgung in diesem Lande nicht gerecht“, so Kuck.
Im Fokus des WLAT standen auch die fünf neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, die Apotheken seit Mitte 2022 anbieten und abrechnen dürfen. Es sei wichtig, pDL in den Apotheken vor Ort zu implementieren, so das Fazit verschiedener Vorträge. Auch Overwiening ist überzeugt: „Erstmals dürfen wir Dienstleistungen selbst auslösen. Das ist ein gesundheitspolitischer Quantensprung.“
Als Gastrednerin hatte Professorin Alena Buyx, Vorsitzende des deutschen Ethikrats, den WLAT eröffnet, mit einem Vortrag über die Lehren, die man aus der Corona-Pandemie ziehen könne und müsse. Zu den zentralen Erkenntnissen zähle, dass die Gesellschaft verstehen müsse, dass es in einer solchen existenziellen Krise „immer um Güterabwägungen geht“.
Bei den Fortbildungsangeboten setzten sich PTA setzen mit Themen wie der Beratung von Diabetes-Patient:innen und mit Wechselwirkungen auseinander. Am Sonntag gab es für Filialleiter Angebote zu rechtlichen Fragen, Team-Work und dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Apotheke.
Die AKWL richtet den Kongress alle zwei Jahre aus. Nach Kammerangaben waren mehr als 600 Apotheker:innen, Pharmaziestudierende, PTA und weitere interessierte Fachbesucher beim 9. WLAT im Messe und Congresszentrum Halle Münsterland.
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