Kommentar

Osterunruhe Alexander Müller, 24.03.2021 13:07 Uhr

Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Nun also doch keine Osterruhe – Stand jetzt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will die geplante Maßnahme zurücknehmen und die Menschen um Verzeihung bitten. Es ist die vorläufige Spitze einer vollkommen verkorksten Corona-Politik. Dieser Regierung fehlt es an praktischer Vernunft, kommentiert Alexander Müller.

Die Ministerpräsident:innen werden eilig wieder online zusammengetrommelt, die „Osterruhe“ wird gekippt, Merkel will das auf ihre Kappe nehmen. Und die ganze Republik fragt sich: Was habt ihr in dieser langen Nacht eigentlich aushandelt? Wie verlief die Debatte? Wieso hat niemand Fragen gestellt, die für jede Bürgerin und jeden Bürger auf der Hand liegen? Auch die Wirtschaftsverbände haben sofort Alarm geschrien, denn nicht jede Produktion lässt sich so einfach einstellen wie die von sinnvollen Verordnungen und Gesetzen.

Die Gesundheitsbranche – und die Apotheken mittendrin – sind sowieso ein Sonderfall. Aber auch die Apotheker:innen wurden mit allen Fragen allein gelassen. Ob Gründonnerstag und Karsamstag dann eigentlich Feiertage sind (ein Corona-Feiertag, das fehlte noch) oder unter welcher Maßgabe sonst Öffnungszeiten, Notdienstpflichten oder Anspruch auf tarifliche Gehaltszulagen zu berücksichtigen sind.

Gesundheitspolitik ist das Metier von Jens Spahns (CDU): Weiß er nicht, dass der Monatserste ein besonderer Stichtag in der Gesundheitsversorgung ist? Als gelernter Bankkaufmann hätte ihm zumindest der ebenfalls anstehende Quartalswechsel ein Begriff sein können. Sollten da nicht wenigstens die zentralen Fragen in jedem Ressort beantwortet sein? So mussten die Apotheken für einen Tag befürchten, am Mittwoch vor Ostern überrannt zu werden – mit übrigens vorhersehbaren Folgen für das Infektionsgeschehen.

Womit wir beim eigentlichen Versagen dieser Regierung sind. Entgegen aller Prognosen und Empfehlungen von Wissenschaftler:innen wurden zunächst Lockerungen beschlossen. Und dann ist das eingetreten, was die Expert:innen vorhergesagt hatten und was auch den meisten Hobby-Virolog:innen unter uns sofort einleuchtet: Die Zahlen explodieren, die Politik tritt auf die „Notbremse“. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land hält laut Umfragen die Einschränkungen übrigens für angemessen oder zu lasch. Doch anscheinend lässt sich die Regierung von einer besonders lauten Minderheit vor sich hertreiben, nur um anschließend wieder in helle Panik zu verfallen und den nächsten Lockdown zu beschließen. Das kostet Menschenleben. Das Hin und Her kostet übrigens auch die Wirtschaft viel mehr, weil die Pandemie in die Länge gezogen wird. Korruption bei der Maskenbeschaffung, eine beschämend niedrige Impfquote, eine chaotische Teststrategie, dazu die in der Regierungszeit Merkel verschlafene Digitalisierung des öffentlichen Dienstes, der Schulen und der Wirtschaft – Deutschland scheitert in dieser Krise an sich selbst.

Jens Spahn sagt: „Diese Woche hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wie unberechenbar diese Pandemie wirklich ist.“ Nein, Herr Minister, es gibt diese Berechnungen. Sie haben sie nur nicht beachtet. Die wissenschaftlichen Berater:innen der Regierung sind zunehmend verzweifelt, weil sie einfach nicht mehr gehört werden.

Auf der anderen Seite fehlen immer wieder schlüssige Konzepte für die Umsetzung von Maßnahmen. Einmal mehr zeigt die Politik, dass ihr der Praxisbezug fehlt. Spahn feiert Laientests beim Discounter, und dann verspricht die Bund-Länder-Runde zum wiederholten Mal, dass „baldmöglichst“ zwei Testungen pro Woche in Schulen und Kitas „angestrebt“ werden. Hoffen auf ein Osterwunder.