Online-Rezepte

Ein Arzt als Brieffreund

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Berlin -

Es ist für Apotheker immer gut, einen Verordner in direkter Nachbarschaft zu haben. Noch besser hat es die West-Apotheke aus Fürstenfeldbruck: Apotheker Manfred Weyerer hat gewissermaßen einen Brieffreund in London, der ihm regelmäßig Rezepte schickt – den Online-Arzt DrEd.

Während deutsche Ärzte ihre Patienten in aller Regel sehen müssen, bevor sie ein Rezept ausstellen, dürfen ihre Kollegen in Großbritannien auch online Arzneimittel verschreiben. Unter dem Namen „DrThom“ gibt es den Service auf der Insel schon seit 2002. Die Ähnlichkeit beim Konzept und im Namen ist kein Zufall: Bei „DrEd“ arbeiten ehemalige Mitarbeiter von „DrThom“.

David Meinertz und Amit Khutti machten sich selbstständig und starteten 2011 mit DrEd einen Ableger für den deutschen Markt. Da Patienten innerhalb der EU jeden Arzt aufsuchen dürfen und die Rezepte seit Oktober 2013 wiederum im EU-Ausland akzeptiert werden müssen, behandelt DrEd auch deutsche Patienten. Die Konsultation findet online in Form eines Fragebogens statt.

Kunden können bei DrEd zwischen zwei Wegen wählen: Entweder schicken die britischen Ärzte das Rezept direkt an eine Versandapotheke, die die Arzneimittel an den Patienten liefert. Alternativ erhält der Kunde sein Rezept selbst und kann es dann in einer Apotheke seiner Wahl einlösen.

Zunächst war die Hamburger Versandapotheke Apo-Rot Partner von DrEd. Doch vor rund zwei Jahren stieg die Versandapotheke aus. Die Zusammenarbeit sei nicht so gelaufen, wie man sich das vorgestellt hatte, heißt es bei Apo-Rot. Deshalb sei man getrennte Wege gegangen.

Neuer Partner ist die West-Apotheke. Apotheker Weyerer betreibt in Odelzhausen auch noch die Marien-Apotheke sowie die Vital-Apotheke. Von DrEd hatte er aus den Medien erfahren; so hatte er sich mit dem Hamburger Arzt und DrEd-Geschäftsführer Meinertz in Verbindung gesetzt. Nachdem sein Anwalt grünes Licht gegeben hatte, stieg Weyerer ein: Seit Mitte 2013 bekommt er die Rezepte aus London geschickt, wenn die Kunden die Versandoption wählen.

Weyerer sieht in dem Angebot vor allem eine Entlastung der Haus- und Frauenärzte. Gerade Folgerezepte über Kontrazeptiva ließen sich gut über eine Online-Sprechstunde verordnen, findet der Apotheker. „Wenn man das auf einem rechtlich sauberen Weg machen kann, ist das für die Patienten, Ärzte und Krankenkassen eine gute Sache“, so Weyerer.

Zum Angebot von DrEd zählen in erster Linie vermeintlich peinliche Indikationen wie Erektionsstörungen oder Geschlechtskrankheiten. Verschrieben werden aber auch Mittel gegen Bluthochdruck, Asthma oder Migräne. Die Patienten zahlen für die Online-Sprechstunde eine Gebühr, die meisten verordneten Medikamente laufen dann ohnehin über Privatrezept.

DrEd selbst macht keine konkreten Angaben, wie viele Patienten in die Online-Sprechstunde gehen. Meinertz gibt an, mehrere hundert Menschen würden den Service täglich nutzen. Wie viele davon aus Deutschland oder dem deutschsprachigen Raum kommen, wird nicht verraten. DrEd ist in Deutschland, Österreich, der Schweiz, England und Irland aktiv.

Weyerer zufolge kommen zwar täglich Bestellungen aus England in seiner Apotheke an, die Masse sei es allerdings nicht. Etwa 60 Prozent der Kunden wählen Meinertz zufolge die Versandoption, der Rest lässt sich das Rezept direkt schicken.

Nutzer berichten bei dieser Variante allerdings von Problemen, da nicht alle Apotheken die Verordnungen der Online-Ärzte akzeptieren. Die Apothekerkammer Berlin hatte unlängst sogar davon abgeraten. Bei Online-Rezepten kollidierten deutsches und britisches Recht, so die Kammer. Weil Verschreibungen ohne Patientenkontakt gegen das hierzulande geltende ärztliche Berufsrecht verstießen, seien Fernbehandlungen unzulässig. Apotheker könnten dann pharmazeutische Bedenken geltend machen und die Abgabe verweigern.

Meinertz gibt zu, dass dies zum Start des Angebots ein Problem gewesen sei. Mittlerweile habe sich das System aber eingespielt, nur in Einzelfällen komme es noch zu Problemen. Bei Arzneimitteln, die zu Lasten der Krankenkasse verordnet wurden, sieht Meinertz sogar einen Kontrahierungszwang für deutsche Apotheken.

Aufregung gab es kurzfristig im September 2013, als das Bestellportal Ordermed für Bestellungen der „Pille danach“ mit DrEd kooperierte. Notfallkontrazeptiva waren hierzulande noch verschreibungspflichtig, Frauen konnten die Präparate bei DrEd dennoch erhalten, ohne eine Arztpraxis oder eine Apotheke zu betreten. Der damalige Unions-Fraktionsvize und heutige Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) hatte sich öffentlich über die Kooperation empört – schließlich blies Ordermed zum Rückzug.

Singhammer war es auch, der das Thema in der Großen Koalition vor sich her getrieben hatte. Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag, dass Rezepte nur nach direktem Kontakt zwischen Arzt und Patienten ausgestellt werden können. Der Bundesrat hatte die Bundesregierung zuvor aufgefordert zu prüfen, ob es eine Ausnahmeregel für Rezepte geben kann, die aufgrund von Ferndiagnosen erstellt wurden.

Bislang ist es allerdings bei diesen politischen Willensbekundungen geblieben. In der Praxis läuft DrEd unbehelligt. Auch Apotheker Weyerer hat keine Probleme mit der bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK).

Nicht mehr bei DrEd an Bord ist Jens Apermann. Der frühere DocMorris-Marketingchef war der Kontaktmann für den deutschen Markt. Er sollte DrEd hierzulande bekannt machen und die Politik überzeugen. Die Zusammenarbeit war beiden Seiten zufolge jedoch auf drei Jahre befristet und wurde Ende 2014 beendet.

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