Krankenkassen-Tarif

OLG verbietet dicke Fische Alexander Müller, 09.04.2010 09:31 Uhr

Berlin - 

Krankenkassen müssen ihre Versicherten auf Einschränkungen bei den Leistungen hinweisen, die mit Sondertarifen verbunden sind. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom 23. Februar entschieden. Die Vereingte IKK (heute Signal Iduna IKK) hatte mit Bonuszahlungen bis zu 200 Euro pro Jahr geworben, ohne explizit darauf hinzuweisen, dass sich die Versicherten dann nicht mehr in den Geschäftsstellen beraten lassen können. Den Werbeflyer „Dicker Fisch!“ fanden die OLG-Richter irreführend.

Die IKK hatte in ihrer Werbung zwar erwähnt, dass die Beratung im Tarif „direkt+“ telefonisch oder online erfolgt. Dass die Versicherten aber gänzlich auf einen persönlichen Kontakt verzichten müssen, ging laut OLG nicht aus der Werbung hervor. Damit habe die IKK „eine wesentliche Information über den beworbenen Versicherungstarif vorenthalten“, so die Richter. Wettbewerb zwischen den Krankenkassen finde schließlich auch über Serviceleistungen statt.

Irreführend fanden die Richter vor allem, dass die Kasse ausdrücklich die „volle Leistung“ sowie „alle Leistungen - ohne Wenn und aber“ versprochen hatte. Viele Versicherten würden diese Aussage nicht nur auf die Versicherungsleistungen, sondern auch auf die Beratungsstellen beziehen, so das OLG.

Bei der Signal Iduna IKK sieht man das anders: Die Versicherten hätten sich bewusst für den Tarif mit einkommenabhängiger Prämie und gegen eine persönliche Kundenbetreuung vor Ort entschieden, teilte die Kasse auf Anfrage mit. Deshalb sind die nach Angaben der Kasse aktuell 117 Geschäftsstellen für die „direkt+“-Versicherten tabu: „Suchen Kunden dennoch eine Geschäftsstelle auf, um dort beraten zu werden, bitten wir sie, die Vertragsbedingungen des Tarifs einzuhalten - nur so ist die Prämie gesichert“, teilte die Signal Iduna IKK auf Anfrage mit.

Wie viele Versicherte sich für den Tarif entschieden haben, wollte die Kasse nicht sagen. Die Vereinigte IKK hatte ihn Anfang 2009 eingeführt. Zum Jahreswechsel erfolgte die Fusion mit der Signal Iduna IKK. Seitdem gibt es den Tarif „direkt+“ nicht mehr, da er nach Angaben der Kasse vom Bundesversicherungsamt nicht mehr genehmigt wurde. Insofern hat auch das Urteil über die Werbung keine Relevanz mehr für die Kasse. Alte Verträge laufen einer Sprecherin zufolge aber weiter. Die Signal Iduna IKK vertritt nach eigenen Angaben rund eine Million Versicherte und zählt sich zu den 20 größten Krankenkassen in Deutschland.