Bayern

Öko, aber kein Grüner: Apotheker will in den Landtag

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Berlin -

Mit den Standesvertretern unzufrieden, von den etablierten Parteien frustriert, wütend auf die Eliten: Dass einen das nicht gleich in die Arme der AfD treiben muss, zeigt Thomas Müller aus dem bayerischen Burgkunstadt. Der Inhaber der Alten Apotheke kandidiert bei den Landtagswahlen für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), eine gar nicht so kleine Kleinpartei. Unter den Landtagskandidaten ist er als Apotheker eine Rarität.

Weltgewandt, aber heimatverbunden: So beschreiben sich viele Bayern gern selbst. „Lernen muss man draußen“, hieß das bei Thomas Müllers Vater. Müller stammt aus einer Apothekerfamilie, bereits sein Urgroßvater hatte 1895 die erste Apotheke in Burgkunstadt eröffnet. Seitdem ist die Familie dort verwurzelt. Nach dem Pharmaziestudium in Erlangen sollte der frisch gebackene Pharmazeut aber entsprechend der Vorgabe seines alten Herrn erst einmal nicht im Familienbetrieb arbeiten, sondern jenseits der Heimat Erafhrungen sammeln. Nach drei Jahren und sechs Stationen, unter anderem in Stuttgart, Rheinberg und Bremerhaven, kehrte er 1984 in die heimische Apotheke zurück.

1986 übernahm er sie dann als Inhaber und machte sie zukunftsfest. „Ich habe mir die Apotheke angeschaut und überlegt, was es da für Möglichkeiten gibt“, erinnert er sich. Er habe eine Einrichtung gewollt, die auch in vielen Jahren noch zeitgemäß ist. „Ich habe mich dann für eine große und moderne Sichtwahl entschieden – und die kann sich selbst heute noch sehen lassen.“

Dieser Blick für das Größere ist es auch, den Müller für seine politischen Standpunkte beansprucht. „Mir ging es immer um eine auf die langfristige Zukunft orientierte Politik – und damit haben sie es in der CSU nunmal sehr schwer“, erklärt er seine politische Heimatfindung. Zwar sei er seit seiner Jugend ein politischer Mensch gewesen. „Meine Ziele waren schon immer Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“, sagt er. Seine parteipolitische Heimat fand er dann aber erst 1995, als er ein Treffen der ÖDP besuchte.

Die 1982 gegründete ÖDP vereint eine ökologisch-soziale Programmatik mit einem christlich-konservativen Menschenbild. Das klingt stark nach Winfried Kretschmann. Kann man mit so einer Weltanschauung nicht auch bei den Grünen zuhause sein? „Es stimmt schon, dass es mit den Grünen viele programmatische Übereinstimmungen gibt, vor allem bei den Themen Klima und Flüchtlinge“, räumt er ein, schiebt aber direkt nach: „Allerdings gibt es drei große Unterschiede.“

„Erstens, wir nehmen keine Spenden von Konzernen, da sind wir unabhängig.“ Tatsächlich hat sich die ÖDP in die Satzung geschrieben, dass sie keine Spenden von juristischen Personen annimmt. So zeige das Verhalten der Parteien nach dem Diesel-Skandal einmal mehr, „dass die alle auf der Payroll der Industrie stehen“. „Zweitens, die Familienpolitik: Die Grünen denken ja, Erziehung ist am besten bei Fremden aufgehoben. Wir hingegen wollen mit einem Erziehungs- und einem Pflegegehalt von je 1000 Euro die Familien stärken.“

Und dann sei da drittens noch die Wirtschaftspolitik. Die ÖDP tritt nach eigenen Angaben als einzige Partei für eine „Postwachstums- und Gemeinwohlökonomie“ ein – mehr Ökologie, weniger Ökonomie sozusagen. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft müssten sich von Wachstumszwängen befreien, heißt es im Parteiprogramm. „Unsere Verschwendungswirtschaft muss eingeschränkt werden, denn alle Resourcen sind endlich“, erklärt Müller. „Gerade das Gesundheitswesen bietet sich für eine Gemeinwohlökonomie an. Das Ziel muss es sein, die Bevölkerung möglichst gut mit Gesundheitsdienstleistungen zu versorgen, nicht wie gegenwärtig die Gewinne von Pharma-und Krankenhauskonzernen, von Krankenkassen, MVZ und Versandapotheken zu erhöhen.“

Das gelte auch für die Apotheken. „So wie das System läuft, macht es den Beruf kaputt. Dieses Wirtschaftssystem ist einfach nicht mehr zielführend – die Großen werden immer reicher und der Mittelstand hat es immer schwerer.“ Es gebe im ÖDP-Programm auch „drei, vier Punkte zur Apothekenpolitik – die stammen größtenteils von mir“, sagt er heiter. Aufgrund der doch recht dünnen Personaldecke der Kleinpartei ist er als Apotheker ein gefragter Fachmann in dem Gebiet.

Laut Müller will sich die ÖDP für den Erhalt der „persönlich-verantwortlich geführten Apotheke“ einsetzen. Dazu gehört ein Verbot des Rx-Versands, aber auch dass die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel gesenkt wird. „Wir sind eines von nur drei EU-Ländern, die noch den vollen Mehrwertsteuersatz auf Medikamente haben“, moniert er. „Das erklärt auch zum Teil die oft erheblichen Preisunterschiede zu unseren Nachbarländern“. Auch pflanzliche und homöopathische Arzneimittel sollen von allen Kassen erstattet werden. Außerdem will Müller, dass Ärzte und Apotheker enger zusammenarbeiten, beispielsweise indem Apotheker in Krankenhäusern ein Auge auf die korrekte Medikation haben. „Das würde den Berufsstand weiter aufwerten und sein Image verbessern.“

Wie man denn die schwierige Entwicklung im Apothekenmarkt – Stichwort Apothekensterben – aufhalten kann, dafür hat auch Müller kein fertiges Konzept in der Tasche. Zumindest von den Standesvertretern erwartet er aber keine große Hilfe: „Die Verbände machen meiner Meinung nach schlechte Arbeit, das sind nur Abnickvereine, mit denen man nicht viel erreichen kann“, ist er sicher. „Und die ABDA ist nur ein Klüngelhaufen. Die ganzen Imagekampagnen der letzten Jahre waren Geldverschwendung ohne Ende.“

Ob er denn glaubt, mit seiner Partei etwas bewegen zu können? Erstmal müssten sie es ja in den Landtag schaffen. „Es besteht auf jeden Fall eine realistische Chance“, sagt er. „Wir sind eine wertebasierte Partei und dadurch für viele hier wählbar.“ Tatsächlich ist Bayern das Kernland der ÖDP, seit 1990 liegt sie bei den Landtagswahlen stets um die 2 Prozent, auf kommunaler Ebene hat sie im Freistaat immerhin 380 Mandate.

Eines davon ist Müllers Sitz im Stadtrat von Burgkunstadt, den er seit vier Jahren ehrenamtlich innehat. Man könne da viel erreichen, „sieht aber auch, wie viel Geld verschwendet wird“. Der bisher größte landespolitische Erfolg der Partei war der Volksentscheid zum Nichtraucherschutz im Jahr 2010, der von der ÖDP initiiert worden war. Es geben also durchaus Grund zu Optimismus.

Und was würde aus der Apotheke, falls er in den Landtag ziehen sollte? „Die müsste ich dann schließen, ich bin ja schon 63, sodass sich das ohnehin bald erledigt hätte.“ Auf seinen bisherigen Apothekenalltag hat seine politische Arbeit aber keine großen Auswirkungen. Nur einmal habe ein regelmäßiger Kunde aufgehört, zu ihm zu kommen. Den habe er dann eines Tages zufällig auf einem Parkplatz angetroffen. Danach gefragt, warum er die Alte Apotheke denn nun meidet, fauchte der ihn an: „Weil das so ein Mist ist, was die Grünen da machen!“, erzählt Müller und lacht.

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